„Realtime Analytics wird für uns immer wichtiger“ – Dr. Volker Stümpflen, Head of Data Strategy and Operations, Mediengruppe RTL

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Zur Person:

Realtime AnalyticsDr. Volker Stümpflen verantwortet als Leiter Data Strategy & Operations bei der Mediengruppe RTL vor allem den Auf- und Ausbau der Data-Science-Aktivitäten sowie die Realisierung und Monetarisierung speziell analysierter Datenmodelle mit Fokus auf Nutzerverhalten und Nutzerbedürfnisse. Er verfügt über große Erfahrungen mit der Vernetzung großer Datenbanksysteme und Applikationen, basierend auf seiner früheren Tätigkeit als Director Data Science mit Schwerpunkt datengetriebenes Risikomanagement im Finanzanlagebereich. Zu seinen weiteren Stationen gehörte die langjährige Leitung der Gruppe Biologische Informationssysteme am Helmholtz-Zentrum in München mit Schwerpunkt auf semantischen Big-Data-Systemen in der Biomedizin. Zudem war er Gründer und Vorstand der Clueda AG, eines mehrfach preisgekrönten FinTech-Start-ups (u. a. Best in Big Data Award, Gewinner im Bereich Big Data der Disruptive Technology Challenge).

Dr. Thomas Keil: Hat Analytics bei Ihnen, in Ihrer Organisation, die Vorstandsebene erreicht? Ist Analytics Teil der Unternehmensstrategie?

Dr. Volker Stümpflen: Unbedingt! Vor zwei, drei Jahren war das noch anders. Auch wenn unser Kerngeschäft, das lineare TV, nach wie vor sehr gut läuft, entwickelt sich RTL zu einem Four-Screen-Anbieter für alle Endgeräte. Das läuft auch immer noch sehr gut, aber wir bereiten uns auf die Zukunft vor. Dabei spielen Daten, Analytics und Machine Learning eine deutlich größere Rolle.

Der Grund ist ganz einfach: Wir wollen unsere Nutzer besser verstehen, näher an sie heranrücken. Letztlich geht es bei uns um ein möglichst zielgruppengenaues Anbieten von Inhalten und der Vermarktung von Werbemöglichkeiten. Dazu ist es wichtig, dass wir Einsichten gewinnen und datengetriebener agieren.

Keil: Wird Analytics im ganzen Unternehmen eingesetzt?

Stümpflen: Unser Ansatz ist schon so, dass wir ein analytisches Denken in die gesamte Organisation hineintragen wollen. Als Methode haben wir uns zum Beispiel für Self-Service-BI mit entsprechenden Visualisierungstools entschieden. Der Fachbereich soll in die Lage versetzt werden, größtenteils selbstständig neue Erkenntnisse zu finden und darauf aufsetzend Entscheidungen zu treffen.

Keil: Würden Sie da auch von „Demokratisierung von Daten" sprechen?

Stümpflen: Absolut, das ist ein zentraler Bestandteil unserer Strategie. Wir setzen gerade eine darauf basierende Cloud-Strategie um. Das erlaubt uns, künftig etwa einen einheitlichen Data-Lake zu definieren und bereitzustellen. Damit können die Fachbereiche noch einfacher mit analytischen Methoden ihr Geschäft beobachten und steuern.

Keil: Was halten Sie dabei von der Idee einer „analytischen Plattform“ bzw. was würden Sie darunter verstehen?

Stümpflen: Ich sehe da zwei Aspekte. Zum einen geht es darum, recht komplexe Analysen umzusetzen, die selten wirklich zeitkritisch sind. Dafür nutzen wir dann Hadoop-basierte Infrastrukturen im Batch-Betrieb. Ein zweiter Bereich ist allerdings die Fähigkeit, mittels Streaming-Technologien in Echtzeit Analysen zu betreiben. Hier schauen wir uns unter anderem auch Werkzeuge wie Spark, Kafka oder auch Cloud-basierte Dienste etwa von Google an.

Wir haben also schon erste Ansätze im Betrieb und wollen das weiter ausbauen.

Technisch gesehen ist Echtzeit vergleichsweise neu für uns. Wir haben viele Quellen – natürlich vor allem unsere Webangebote –, die viele Informationen in Datenströmen liefern. Hier geht es um ein Zusammenführen, etwa um das beste nächste Angebot für den individuellen Nutzer zu finden.

Keil: Welche Herausforderungen erwarten Sie?

Stümpflen: Technisch sehe ich kaum Schwierigkeiten. Am Markt gibt es genügend Lösungen, die man hier einsetzen kann. Eine wichtigere Herausforderung ist ein – möglicherweise deutschlandspezifischer – Unterschied, wie mit Daten gearbeitet wird. So drehen sich viele Gespräche bei uns mehr um die Einschränkungen von Datennutzung, während es außerhalb von Deutschland viel mehr um die Möglichkeiten von Datenanalysen geht.

In unserem Fall interessiert uns der einzelne Nutzer ja gar nicht, mit Datenschutz haben wir daher auch keine Probleme. Es geht um anonymisierte Profile von Nutzergruppen.

Keil: Wie steht es um Gewinnung und Bindung der richtigen Talente bei Mitarbeitern? Ein Thema für Sie?

Stümpflen: Keine Frage, wir brauchen noch mehr Data Scientists. Wir finden am Markt kaum Experten, die über die notwendigen Kenntnisse im Bereich Big Data Analytics verfügen. Bei der Vielzahl unserer Projekte und Pläne ist das ein echter Engpass.

Wenn wir sie dann an Bord haben, versuchen wir, diesen Experten die wirklich spannenden Themen zu geben. Sie sollen einen tiefen Einblick in unser Geschäft erhalten, damit sie merken, wie ihr Beitrag einen echten Wandel vorantreibt. Das geht auch nur, wenn wir gleichzeitig ausreichend viele Freiräume geben.

Keil: Wie organisieren Sie dann Innovation? In einem Lab?

Stümpflen: Wir überlegen in der Tat, ein eigenes Ökosystem zu schaffen. Wir haben mit unserem bisherigen „Hub and Spoke“-Konzept sehr gute Erfahrungen gemacht, interdisziplinäre Teams unkompliziert zusammenzubringen. Es hat sich bei uns bewährt, dass wir immer zwei bis drei unserer Tochtergesellschaften in ein Projektteam einbringen. Das sind beispielsweise Technologiefirmen, aber auch die Mediengruppe selbst oder die Digitaltochter. Echte Zusammenarbeit ist wirklich der Schlüssel, auch um ein Projekt hinterher in die Produktion überführen zu können.

Keil: Welche Rolle spielt dabei Ihr Bereich? Verstehen Sie sich als zentraler Know-how-Träger?

Stümpflen: Wir sind die zentrale Stelle für Big Data und stehen als solche in engem Austausch mit unserer IT, die natürlich eine entsprechende Infrastruktur betreibt. Als „Center of Excellence“ für Smart Data stellen wir Services im Bereich Data Science zur Verfügung – übrigens auch im Austausch mit den Kollegen aus dem gesamten Bertelsmann-Konzern.

Keil: Wie wichtig ist die schnelle Umsetzung von Erkenntnissen in Aktion?

Stümpflen: Das wird für uns immer wichtiger. Sobald wir beispielsweise ein Verhalten des Nutzers erkannt und analysiert haben, wollen wir ihm eine passende Inhaltsempfehlung ausspielen. Das muss möglichst in Echtzeit passieren, solange der Nutzer noch auf der Website ist. Auch redaktionell ist das interessant, etwa indem wir analysieren, welche Themen gerade spannend sind und wo wir ein passendes Angebot platzieren können.

Keil: Abschließend eine Frage nach dem aktuellen Hype-Thema „künstliche Intelligenz“.

 Stümpflen: Ich mag den Begriff nicht, der hat sich schon in den 80er-Jahren etwas abgegriffen angefühlt. Da ist maschinelles Lernen oder Cognitive Computing besser und auch näher an dem, was wirklich passiert und was auch wir machen. Wenn es sein muss, sprechen aber auch wir von „Artificial Intelligence“, wenn wir über unsere Projekte reden …

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About Author

Thomas Keil

Director Marketing

Dr. Thomas Keil is a specialist for the impact of technology on business models and on society in general. He covers topics like Digital transformation, Big Data, Artificial Intelligence & Ethics. Besides his work as Regional Marketing Director at SAS in Germany, Austria and Switzerland he regularly is invited to conferences, workshops and seminars. He serves as advisor to B2B marketing magazines and in program committees of AI-related conferences. Dr. Thomas Keil 2011 came to SAS. Previously, he worked for eight years for the software vendor zetVisions, most recently as Head of Marketing and Head of Channel Sales.

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