Gesunder Intelligenzmix für öffentlichen Sektor: künstlich und natürlich

0

Vor zwei, drei Jahren war „digitale Transformation“ nur ein Wort. Heute findet sie statt. Handwerk, Industrie, Banken, Gesundheitswesen – überall werden überholte und ineffiziente Strukturen abgelöst. Gerade Dienstleistungen sind schon spürbar schneller, unkomplizierter und besser verfügbar geworden. Und die Services öffentlicher Behörden? Auch dort bewegt sich einiges, aber: Es ist noch viel Luft nach oben.

Personalstruktur und gesetzliche Vorgaben – Treiber der öffentlichen Digitalisierung

Wer schon einmal einen neuen Reisepass beantragt hat, kennt die Situation: Alleine das Einreichen des Antrags ist oft mit erheblichen Wartezeiten verbunden, genauso wie die Abholung. Das stößt bei Bürgern zunehmend auf Unverständnis: Warum bin ich für kleinste Erledigungen im Bürgerbüro auf überschaubare Öffnungszeiten beschränkt? Bei Unternehmen und Dienstleistern funktioniert es doch auch flexibel per Smart Device – und zwar rund um die Uhr.

Hier geht's zur Podcastserie KI Kompakt

Doch der Amtsschimmel kommt zusehends in Bewegung. Künstliche Intelligenz findet sukzessive ihren Weg in die Verwaltungsstrukturen des öffentlichen Sektors. Das liegt vor allem an zwei Treibern. Zum einen herrscht in vielen Behörden akuter Personalmangel, was beim nach wie vor sehr hohen manuellen Aufwand automatisch zu Engpässen führt. Für die heute übliche Fallbearbeitung in den Steuerverwaltungen bräuchte man eigentlich 20 Prozent mehr Mitarbeiter – oder eben effizientere Bearbeitungsabläufe. Der zweite Punkt ist sozusagen „hausgemacht“, denn die gesetzlichen Auflagen auf Landes-, Bundes-, oder europäischer Ebene sind ohne digitale Lösungsansätze oft schwer bis gar nicht umsetzbar.

Virtueller Behördengang und frühzeitige Betrugserkennung

Was aber kann, um beim Beispiel Reisepass zu bleiben, die Bürgerbüros faktisch entlasten und die Warteschlangen verkürzen? Chatbots. Überraschend? Nein – Chatbots zählen bei Dienstleistungsunternehmen längst zum Standardportfolio des Kundenservice. Die digitalen Sachbearbeiter sind rund um die Uhr erreichbar, nie schlecht gelaunt und können Bürger bei einfachen Anfragen schnell und unkompliziert unterstützen. Manche Systeme sind sogar in der Lage, eingereichte Anträge zu versenden, wodurch ein persönliches Erscheinen erst bei der Abholung nötig ist.

Doch KI in Behörden kann nicht nur die Nerven schonen, sondern auch den Geldbeutel des Steuerzahlers – Stichwort Sozialbetrug. Alleine durch organisierten Betrug bei Hartz-IV-Anträgen entstand 2017 ein Schaden von 50 Millionen Euro. Die tatsächliche Dunkelziffer an Betrugsversuchen für sämtliche Sozialleistungen dürfte noch wesentlich höher ausfallen. Ermittlungen sind mit einem enormen personellen Aufwand verbunden und eine Steigerung der Effizienz ist teuer: Für nur ein Prozent mehr erkannter Betrugsfälle werden Investitionen von 400 Millionen Euro fällig. Eine mögliche Lösung ist der Einsatz eines Hybrid-Analytics-Modells, bei dem lokal erhobene Daten von einer KI direkt mit einer Datenbank in der Cloud abgeglichen werden. So können Muster und Anomalien schnell erkannt und Betrugsversuche verhindert werden.

Grenzschutz und Migration – ein Job für den digitalen Beamten

Bei Sicherheitsbehörden geht die Zuständigkeit der KI-Kollegen über eine simple Antragsbearbeitung hinaus. Hier greifen vor allem die gesetzlichen Vorgaben, zum Beispiel die Sicherheitsbestimmungen im Flugverkehr: Laut des deutschen Fluggastdatengesetzes müssen zahlreiche Informationen wie Kontaktdaten und Zahlungsverbindungen sämtlicher Fluggäste an das Bundeskriminalamt weitergeleitet werden. Im Jahr 2018 waren an deutschen Flughäfen insgesamt 244,3 Millionen Passagiere unterwegs. Will man anhand dieser Daten verdächtige Verbindungen und Muster identifizieren, führt an KI kein Weg vorbei.

Es ist noch Luft nach oben

Die Einsatzmöglichkeiten für KI im öffentlichen Sektor sind also zahlreich. Trotzdem geht die Implementierung oft nur schleppend voran. Um diese Entwicklung zu beschleunigen, müssen vor allem zwei Hürden aus dem Weg geräumt werden. Erstens: zu komplizierte Softwarewerkzeuge. Nützliche KI-unterstützte Lösungen müssen jedem Mitarbeiter schnell und einfach die Möglichkeit geben, den Algorithmus durch Feedback zu verbessern, auch wenn kein Datenexperte vor dem Rechner sitzt.

Zweites Hindernis ist die föderale Verwaltungsstruktur deutscher Behörden. Hier braucht man idealerweise ein Konsensmodell, das die Ergebnisse jeder einzelnen Fallbearbeitung innerhalb einer Behörde auch über institutionelle Grenzen hinweg miteinander verknüpft. Die so entstehende Datenbasis ermöglicht noch bessere KI-Ergebnisse und ist eine wichtige Grundlage für sämtliche Bereiche öffentlicher Behörden – egal ob es um Terrorismusbekämpfung oder „nur“ um den neuen Reisepass geht.

Share

About Author

Robert Ruf

Solutions Architect

Robert Ruf ist seit 2004 bei SAS und beschäftigt sich mit den Themen Business Intelligence, Data Warehousing, Business Analytics sowie Big Data. Als Experte für BI Lösungen, berät er Unternehmen in der DACH Region und teilt sein Wissen in Vorträgen und als Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Robert Ruf hat in Mannheim Wirtschaftsinformatik studiert und zusätzlich einen MBA-Titel im Bereich „Information and Performance Management“ erlangt. Robert Ruf is advising companies on Big Data and Business Analytics. He is also a lecturer on modern BI.

Related Posts

Leave A Reply

Back to Top