„Für mich heißt Internet of Things, dass hier alles rotiert wie in einem Wäschetümmler und es weder Durcheinander noch Stillstand gibt.“ Frau Dönmek hatte Lenin und mich am Werkstor in Cedorf abgeholt und uns gleich in die Halle zu ihrer Anlage geführt: „Wir arbeiten an der Kapazitätsgrenze. Was wir wegen Stillstand nicht herstellen, können wir nicht verkaufen. Das kommt zu den Reparatur- und Teilekosten hinzu und zu dem hohen Bestand an Rototrosinen.“
„Rototrosinen?“, hatte ich nachgefragt. Frau Dönmek, dunkel, sportlich, Pferdeschwanz, hatte gelacht: „Das ist der Hersteller-Name für diese teuren drehenden Teile, die uns zu oft ausfallen.“ Sympathische Frau, wohl Hamburgerin. Wer sonst nennt einen Wäschetrockner „Tümmler“?
Frau Dönmek hatte Lenin und mir erläutert: „Manche Rototrosinen halten monatelang, andere nicht einmal Stunden. Wir wechseln sie aus, wenn sie kaputtgehen. Wenn eine nach der anderen ausfällt, probieren wir an den Einstellungen der Anlage ‘rum. Dabei kann der Ausfall 1.000 Ursachen haben.“
Sie hatte aufgezählt: „Wir haben über 150 Rezepte und mehr als 300 Rohstoffe, dazu rund 30 unterschiedliche Folien, die wir beschichten ...“
Frau Dönmek hatte den Kopf geschüttelt: „Zuviel Durcheinander! So geht‘s nicht weiter.“
Es war eine Weile so weitergegangen: Zwar hatten Rezept- und Materialdaten sofort zur Verfügung gestanden. Aber die meisten Sensordaten aus der Anlage wurden laufend überschrieben; und Lenin hatte einige Zeit gebraucht, bis die zuständigen IT-Kollegen so weit waren, eine ausreichende Datenhistorie bereitzustellen.
Doch dann lief alles wie nach dem Drehbuch für Datenanalyse und künstliche Intelligenz: Zuerst hatte Frau Dönmek mittels visueller Exploration Hinweise gefunden, was zusammenkommen muss, damit Rototrosinen ausfallen. Dann hatte Lenins Mitarbeiterin Modelle entwickelt und verglichen, um den Ausfall vorherzusagen. Zuletzt hatten beide zusammen aufgedeckt, dass die empfindlichsten Rototrosinen nicht neu waren, sondern absprachewidrig gelieferte aufgearbeitete Gebrauchtteile.
Heute stehen Lenin und ich wieder mit Frau Dönmek vor ihrer Anlage. Trommeln drehen sich, Folien werden von Rollen gewickelt, Pulver und Flocken vermischt, Flüssigkeiten gerührt, beschichtete Folien geschnitten.
„Wie in der Müslifabrik, was?“, fragt Frau Dönmek. „Aber spannender ist, was da drinnen passiert.“ Sie zeigt auf eine Reihe überdimensionierter Blechkästen, aus denen es leise brummt. „Da rotiert alles dank unserer Analysen noch schneller. Und die Stillstandszeiten haben wir reduziert um ...“
Lenin hustet laut, wie um die Konspiration zu wahren. Frau Dönmek schaut irritiert. Lenin lächelt abwechselnd stolz und routiniert, als kämpfte seine Freude mit der Gewöhnung an den Erfolg.
In der Nacht träume ich von schnelldrehendem Müsli mit Rototrosinen.
Gerät die Revolution ins Rotieren? Fortsetzung folgt!