Ein Mythos ist in seiner ursprünglichen Bedeutung eine Erzählung. Mythen erheben traditionell einen Anspruch auf Wahrheit. Doch gerade an diesem Wahrheitsanspruch gibt es immer wieder Kritik.
Ein Beispiel: Ist es ein Mythos, dass hier in Heidelberg die älteste deutschsprachige Universität steht? Nein, es ist eine Teilwahrheit. Denn es ist die älteste auf bundesdeutschem Boden und die drittälteste deutschsprachige Universität (nach Prag, 1348, und Wien, 1365).
Fakt ist: Hier in Heidelberg sitzt das Software-Unternehmen SAS, das sich intensiv mit künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigt (das zeigt auch eine aktuelle SAS Studie, die die Bereitschaft von Unternehmen zur künstlichen Intelligenz (KI) untersucht hat) – und vom 22.-24. Oktober wieder die größte Analytics-Konferenz Europas in Mailand ausrichtet.
Apropos Mythen und KI: Wer sich in den vergangenen Monaten mit dem Thema beschäftigt hat, der konnte viel, sehr viel, darüber lesen. Alle unsere Jobs werden verschwinden! Die Roboter übernehmen unser Tagesgeschäft! Jedes Unternehmen muss sich sehr bald KI kaufen, um weiter am Markt bestehen zu können!
Befassen wir uns ein bisschen näher damit.
Wir alle sind in irgendeiner Art und Weise Kunden einer Bank. Ich rufe in der Bank an oder schreibe eine Nachricht an die Service-E-Mail-Adresse meiner Bank. Ein KI-System beantwortet „selbstständig“ meine Anfrage. Gibt es das heute schon? Ja.
Das heißt aber noch lange nicht, dass KI eine Wunderwaffe ist, die um jeden Preis eingesetzt werden sollte. Hierzu eine neutrale Einschätzung der Analysten von Gartner (jenseits des Hypes, den Anbieter verbreiten). Dass künstliche Intelligenz die Arbeits- und Alltagswelt verändern wird, stellen die Marktforscher nicht infrage. Aber sie nehmen in dem Papier „Hype hurts: Steering clear of dangerous AI myths“ Thesen unter die Lupe.
Oft wird in dem ausufernden Medien-Hype um KI noch nicht einmal definiert, was darunter konkret zu verstehen ist. Die Analysten wandeln das Kürzel (englisch: AI) ironisch ab: Es reicht demnach von „alternden Innovationen“, wie etwa einfache Formen des maschinellen Lernens, die als neu verkauft werden sollen, bis zu „Amazing Innovations“, die mit futuristisch anmutenden Entwicklungen begeistern. Dazu zählen etwa Deep Neural Networks (DNN). Solche künstlichen neuronalen Netze sollen Aufgaben lösen können, die nicht so einfach als mathematische Regeln zu formulieren sind und von Menschen intuitiv bewältigt werden.
Und tatsächlich ist es Unternehmen bereits gelungen, über einen längeren Zeitraum menschliche Intuition zu verfolgen und zu messen. Anschließend haben sie mit neuronalen Netzen, die mit neuem Input permanent weiterlernen können, das Verhalten eines Traders von Wertpapieren auf dem Handelsparkett modelliert – oder das eines Buchhalters, der auf der Basis von steuerrelevanten Unterlagen einen Buchungssatz formuliert und hierbei immer ein Stück weit seine eigene Erfahrung einbringt. Diese Erfahrung ist mathematisch modellierbar.
5 Mythen zu Künstlicher Intelligenz - Mythos oder Realität? #KI #AI Click To TweetGilt nun (Mythos 1): „Kaufen Sie eine künstliche Intelligenz, und sie wird all Ihre Probleme lösen“?
Hier zeigt sich bereits eine massive Unschärfe, die zu Missverständnissen führt. Es gibt nicht „eine künstliche Intelligenz“, auch wenn Anbieter an eigenen Marken wie SAP Leonardo oder IBM Watson feilen. KI ist immer ein Bündel verschiedener einzelner Technologien, Modellierungsansätzen und Schnittstellen.
Mythos 2: „Künstliche Intelligenz ist Realität.“
Hier muss man differenzieren. Einzelne Funktionalitäten wie Spracherkennung, zum Beispiel bei Siri, oder lernende Modelle in der Betrugserkennung, sind bereits Realität. Aber nicht die „künstliche Intelligenz“ an sich. Pädagogen unterscheiden verschiedene Arten der Intelligenz: logisch-mathematische oder kognitive, motorische, soziale oder emotionale Intelligenz. Banken oder ihre CIOs zum Beispiel müssen also analog dazu erst einmal definieren können, welche Lösung sie für welche Form der Intelligenz brauchen.
Und: Künstliche Intelligenz funktioniert nicht losgelöst von humaner Intelligenz. Tatsächlich verfolgt jedes System – etwa ein selbstfahrendes Auto – nur die Ziele, die ihm Menschen einprogrammiert haben.
Mythos 3: „Künstliche Intelligenz verfügt über menschliche Züge.“
Hochentwickelte Data-Analytics-Software hat das Ziel, menschliches Verhalten möglichst genau vorherzusagen und mit dem Nutzer so zu kommunizieren, dass die Illusion eines menschlichen Gegenübers entsteht. Eine Illusion bleibt es dennoch.
Denn wie beim selbstfahrenden Auto gilt für alle KI-Systeme, dass sich ein Data Scientist zuvor genau darüber Gedanken machen muss, welche Modellierungsansätze er wählt – ob er Deep Learning, Random Forest oder einfach nur die logistische Regression verwendet. Und dann müssen diese Verfahren anschließend in Geschäftsprozesse implementiert werden – auch dafür benötigt man den Menschen. Wobei Plattformen, wie sie beispielsweise SAS bietet, durchaus helfen, indem sie unterschiedlichste Entwickleransätze und auch -vorlieben integrieren.
Aber die Entwickler sind nach wie vor Menschen. Und die sogenannte Super-Intelligenz, die geschaffen wurde aus einer KI, die wiederum geschaffen wurde aus einer KI – diese existiert Stand heute nicht. Auch wenn Forscher wie Stephen Hawking davor gewarnt haben, dass es nur noch 50 Jahre dauern könnte, bis diese Super-Intelligenz existiert.
Mythos 4: „Künstliche Intelligenz ist selbstlernend.“
Auch hier gilt, dass das System in den Grenzen bleibt, die der Programmierer ihm setzt. Es gibt seinem Programmierer Feedback, aber welche Konsequenzen er daraus zieht, liegt beim Programmierer. Das selbstlernende Element kommt nicht bei der KI, sondern in speziellen mathematischen Verfahren zum Tragen, die eine Art lernenden Algorithmus anwenden. Sie lernen durch ein definiertes iteratives Verfahren oder durch immer wieder neu verwendete Daten. Welche Daten dies sind, bestimmt wiederum der Mensch.
Dieses E-Book bietet eine Einführung in diese innovativen Techniken sowie 10 Best Practices und eine Checkliste für die maschinelle Lernbereitschaft.Mythos 5: „Künstliche Intelligenz ist eine tödliche Gefahr (wahlweise: die Rettung der Menschheit).“
Die Möglichkeiten von KI mögen die Fantasie beflügeln, aber „Skynet“ ist sicherlich noch weit von der Realität entfernt. Und die Nano-Technologie, die in Form von intelligenten Robotern durch unsere Blutbahn fährt, ebenfalls.
Aber wenn der jetzige Google-Chef-Ingenieur Ray Kurzweil am Anfang des Jahrtausends für 2015 selbstfahrende Autos vorhergesagt hat – und dies ist eingetroffen –, und dieser Herr Kurzweil vorhersagt, dass wir 2050 erstmals in der Lage sein werden, ein menschliches Gehirn in eine Cloud outzusourcen, dann ist dies zumindest bedenkenswert.