Wissen, warum Konsumenten kaufen und nach welchen Kriterien ausgewählt wird, entscheidet über den wirtschaftlichen Erfolg im Handel. Durch digital mündige Konsumenten, steigende Umsätze im Online-Handel und einer starken Vernetzung der Konsumenten über Soziale Medien steigen die Herausforderungen an das Handelsmanagement, dieses Wissen zu generieren und darauf basierend Handlungsempfehlungen abzuleiten. Dies ist der Ansatz meiner Dissertation - die wichtigsten Ergebnisse gebe ich nachfolgend wieder.
Hintergrund und Zielstellung meiner Doktorarbeit
Parallel zu stark steigenden Umsätzen im Online-Handel nimmt die Nutzung von Sozialen Medien zu. In diesem Umfeld entstehen innovative Online-Geschäftsmodelle, u. a. Social Shopping Communities (SSC) – also eine Kombination aus Online-Shopping und Social Networking, die Konsumenten mehrere Möglichkeiten bietet, Produkte zu entdecken, zu empfehlen, zu bewerten und natürlich zu kaufen.
Hierbei kommt es zum kombinierten Einsatz von herkömmlichen B2C-Suchfunktionen und nutzergenerierten Social-Shopping-Funktionen. Zu den B2C-Suchfunktionen zählen bspw. Suchfelder und Suchfilter, wie z.B. nach Preis und Farbe. Die Social-Shopping-Funktionen umfassen u. a. Bewertungen für Produkte und Online-Shops (bspw. auf einer 5-Sterne-Skala), Empfehlungslisten, Styles (von Nutzern erstellte Produkt-Collagen), Tags (von Nutzern vergebene Schlagworte an Produkten und Shops) und auch von Sozialen Netzwerken bekannte Nutzerprofile (Foto, persönliche Infos, Shoppingpräferenzen, etc.). Käufe können nach einem Klick auf einen Link zu einem teilnehmenden Online-Shop zustande kommen (‚Click-Out‘).
SSCs weisen in den letzten Jahren eine starke Wachstumsrate in Hinblick auf registrierte Mitglieder und Besucher auf. Aus diesem Grund wurden SSCs in letzter Zeit mit erheblichem Wagniskapital ausgestattet, bspw. ThisNext mit ca. 9 Mio. $ in drei Finanzierungsrunden. Weitere populäre SSCs sind u.a. www.polyvore.com und www.kaboodle.com sowie im deutschsprachigen Raum www.smatch.com.
Vor diesem Hintergrund wird die Arbeit im Kern von der folgenden Fragestellung geleitet: Welche Faktoren, insbesondere welche nutzergenerierten Social-Shopping-Funktionen, beeinflussen ökonomische Zielgrößen in SSCs?
Vorgehensweise
Nach einer Einführung in die Grundlagen und die Funktionsweise des Geschäftsmodells von SSCs wird diese Leitfrage anhand von Logfiles (Webserver-Protokolldateien) einer Social Shopping Community untersucht. In die an den Stimulus-Response-Ansatz angelehnte Untersuchung fließen insgesamt 2,9 Mio. Besuchsvorgänge ein, die mittels innovativer Data Mining-Methoden im SAS Enterprise Miner analysiert werden. Es zeigt sich, dass die Nutzung verschiedener nutzergenerierter Social-Shopping-Funktionen die zentralen Zielgrößen Click-Out (Weiterleitung zu einem partizipierenden Online-Shop) und Verweildauer (Stickiness) signifikant beeinflusst – sowohl positiv als auch negativ. Nutzergenerierte Funktionen wie Listen und Styles wirken bspw. negativ auf einen Click-Out, aber positiv auf die Verweildauer. Diese Funktionen fördern also eher das Stöbern als eine zielgerichtete Suche.
Ausgehend von den empirischen Ergebnissen (Assoziationsanalyse, logistische Regression, Neuronales Netz und Decision Tree) werden konkrete Handlungsempfehlungen für Betreiber einer Social Shopping Community (z.B. in den Bereichen Online-Marketing, eCRM, Usability, Design und Web Analytics) sowie für Markenhersteller und das Management von Online-Shops abgeleitet.
Weitere, detaillierte Einblicke in die Forschungsergebnisse sind u.a. hier zu finden:
- Forschungsbericht Social Shopping (frei zugängliches pdf-Dokument)
- Weitere Publikationen sowie aktuelle Diskussionen zum Social Commerce sind auf meinem Social Commerce Strategie-Blog zu finden.
- Die Dissertation wurde im Rahmen eines von mir am Lehrstuhl für Marketing, Prof. Olbrich, an der FernUniversität in Hagen initiierten Forschungsprojekts durchgeführt. Näheres hier: Forschungsprojekt Social Commerce.
Einsatz von SAS
Im Rahmen der Analyse kam der SAS Enterprise Miner zum Einsatz. Der SAS Enterprise Miner wurde nach einer detaillierten Analyse als die Lösung identifiziert, die am besten zur Analyse der sehr großen Online-Datenmengen mit innovativen Methoden geeignet ist.
Die folgende Abbildung zeigt überblicksartig den herangezogenen Datenanalyseprozess (KDD-Prozess nach Fayyad/Piatetsky-Shapiro/Smyth 1996, p. 10):
Der SAS Enterprise Miner wurde in den Schritten Vorverarbeitung, Transformation und Data Mining eingesetzt.
Im Rahmen der Vorverarbeitung wurden die Daten gereinigt, u. a. wurden Ausreißer eliminiert und fehlende Werte ersetzt. Im Transformationsschritt wurde das Ziel verfolgt, einen auswertungsfähigen Datensatz zu generieren, z. B. durch die Reduzierung der Variablenanzahl sowie einer Umkodierung und/oder Normierung von Variablen. Der folgende Data-Mining-Schritt stellt den Kern des Prozesses dar, in dem es zur Anwendung von verschiedenen Methoden kommt, um interessante Muster in den Daten zu entdecken. SAS verfügt hier über eine große Fülle an implementierten Methoden, von denen u. a. die logistische Regression zum Einsatz kam. Äußerst praktisch ist die grafische Benutzeroberfläche von SAS, die dem Anwender die Modellierung wesentlich vereinfacht.
Neben den hier genannten Analysen ist es mit SAS ebenfalls möglich gewesen, entsprechende deskriptive Auswertungen zum Nutzerverhalten zu generieren, z.B. wie viele Nutzer die Plattform aufsuchen, zu welchen Zeiten der Traffic am höchsten ist und von welchen Websites die Besucher kommen (Referrer).
Über den Autor
Dr. Christian Holsing, Dipl.-Kfm., studierte BWL mit den Schwerpunkten Marketing und Statistik an den Universitäten Bielefeld und Wien. Praxiserfahrungen sammelte er u. a. durch eine kfm. Ausbildung bei der Edeka, die Gründung und den Verkauf eines E-Commerce Start-Ups und mehrere Praktika (u. a. bei Telefónica und Eckes-Granini). Zudem war er als Marketing Consultant im Bereich Handel und Konsumgüter bei Information Resources, Inc. (IRI) tätig und führte diverse Beratungsprojekte in den Bereichen E-Commerce-Strategie und Online-Marketing durch. Von September 2007 bis März 2012 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für BWL, insb. Marketing, von Univ.-Prof. Dr. Rainer Olbrich an der FernUniversität in Hagen. Seine Forschungsergebnisse wurden in mehreren renommierten Fachorganen publiziert, u.a. im No. 1-gerankten International Journal of Electronic Commerce und auf führenden Konferenzen (u.a. International Conference on E-Commerce Singapore) vorgestellt. Seine Forschungs- und Beratungsschwerpunkte umfassen Online-Konsumentenverhalten, Social Commerce, E-Business-Geschäftsmodelle, Online-Marketing, (e)CRM, eWOM, Strategisches Handelsmarketing, Data Mining und Web Analytics. Aktuell ist er als Consultant im Bereich E-Commerce und Online-Marketing bei der Lynx Consulting Group tätig. Er bloggt zudem unter www.social-commerce.net (Social Commerce-Strategie, Business Models, Analytics und Tools) und www.ofbiz.biz. Darüber hinaus ist er Mitglied im Aufsichtsrat der DomainBoosting AG, einem Marktplatz für Blog-Marketing und Linkaufbau.
Kontakt zum Autor
Zu guter Letzt noch ein kleiner Hinweis: zu erwerben ist die Dissertation u.a. direkt beim Eul-Verlag.