Wenn ich mir die Zielbilder eigentlich aller Unternehmen in Bezug auf den Umgang mit ihren Kunden anschaue, so fällt immer dieselbe Aussage ins Auge: „Wir möchten den Kunden in den Mittelpunkt stellen und ihm ein positives Kundenerlebnis bieten“.
SUPER! Das ist 1) nichts Neues und klingt 2) fast zu schön, um wahr zu sein.
Gefühlt wird bei sehr vielen Unternehmen dieses „positive Kundenerlebnis“ falsch interpretiert: VERKAUFEN! Zumindest ist das die Wahrnehmung, wenn es eigentlich immer nur rund um das Thema „Next Best Offer“ – also Verkaufsangebot – geht.
Dabei heißt für mich als Kunde ein positives Kundenerlebnis, dass mich ein Unternehmen VERSTEHT und sich entsprechend um mich KÜMMERT. Das bedeutet aber, dass es in meinem oder zumindest unserem gemeinsamen Sinne handelt.
Wie kann man beide Seiten in den Einklang bringen? Und geht das überhaupt?
Die Relation zwischen Unternehmen und Kunde kann natürlich kein altruistisches Unterfangen sein, das ausschließlich zum Ziel hat, dem Verbraucher eine angenehme „Customer Experience“ zu bieten. Wie lässt sich also ein positives Kundenerlebnis schaffen und gleichzeitig sicherstellen, dass ich als Anbieter davon profitiere – indem ich zum Beispiel die Kundenbindung stärke?
Meiner Meinung nach ist der Schlüssel dafür das VERSTEHEN ganz am Anfang der Kundeninteraktion. Es geht nicht darum, dass ein Unternehmen „glaubt“ zu wissen, was ich mag, brauche, will. Nur wenn ich als Unternehmen meine Kunden tatsächlich kenne und verstehe (und zwar auf Basis valider Daten), dann kann ich auch eine Kommunikation aufbauen, die für sie relevant ist. Dies ist der Punkt, an dem das „Sich-um-den-Kunden-Kümmern“ anfängt.
Aktuell wird in der Diskussion um Customer Experience mit viel zu vielen Buzzwords jongliert. Zu viele Trends suchen nach einem produktiven Sinn für die Interaktion mit Kunden. „Big Data“, „Data Lake“ (mittlerweile sind wir schon bei „Data Oceans“ angelangt), „Insight“ …
Es gibt nicht wenige Kunden, die mich fragen: „Herr Börner, wir haben nun ein tolles Big Data Lab mit Hadoop-Cluster und (hier beliebige technische Highend-Lösungen eintragen) – haben Sie nicht einen Use Case für uns, WAS wir damit machen können?“ Diese Frage sollte am Anfang stehen. Technologie darf nicht Selbstzweck sein, sondern muss eine klare Aufgabe erfüllen (s. o.).
Zum „Kundenversteher“ wird nicht derjenige, der ziellos alle möglichen Daten zusammenführt in der Hoffnung, Analytik und Data Mining können aus diesen schon irgendwie Erkenntnisse herausholen. Das sind oftmals die – behaupteten – „360-Grad-Kundensicht“-Projekte, die nach vielen Monaten mit maximal 295-Grad-Kundensicht enden …
Es ist vielmehr zielführend, wenn das Unternehmen alle relevanten Informationen passend zu jeweils einem Use Case/einer Kundengeschichte zusammenträgt und die richtigen Schlüsse daraus zieht.
Und dafür gibt es ein einfaches Rezept. Verknüpfen wir zielgerichtet alle verfügbaren internen Daten (Stammdaten, vor allem die Historie) mit den Ereignissen/Triggern aus der aktuellen Kundensituation. Binden wir dann auch noch punktuell externe Informationen ein (beispielsweise aus Social Media, Geodaten etc.), so bekommen wir oftmals ein sehr genaues Bild von der Situation und dem spezifischen Kontext. Und dann klappt’s auch mit dem Kundenverstehen!
Wie sieht das konkret aus? Erinnern wir uns an das Beispiel aus meinem Blog zum Thema Weihnachts-Shopping.
Hier werden in Echtzeit die verschiedensten Informationen über mich als (fiktiver) Bankkunde verknüpft, der im vorweihnachtlichen Einkaufsfieber kurz davorsteht, seinen Disporahmen zu überziehen – und daraus die richtigen Schlüsse gezogen:
- Geodaten -> geben einen Überblick, wo ich welche Käufe getätigt habe
- Echtzeitereignisse -> zeigen die jeweiligen Einkäufe mit Betrag, Zeit etc.
- Bewegungsdaten -> geben Aufschluss über meine Buchungen und den veränderten Kontostand
- Stammdaten und Historie -> zeigen, dass ich ein loyaler Kunde mit geringem Risiko bin = ideal für einen kurzfristigen Kredit!
Und daraus die richtigen Schlüsse gezogen. Mit dem Ergebnis: Meine Bank hat mir eine kurzfristige „Finanzspritze“ angeboten und sich damit aus meiner Sicht perfekt um mich gekümmert. Sie hat mich also wirklich verstanden – und Weihnachten war gerettet!
Danach folgt der nächste Schritt: Wie nutze ich das Verständnis, das ich gewonnen habe? Aber das ist eine andere Geschichte für meinen nächsten Blog.
Zudem möchte ich Ihnen das SAS Forum Deutschland am 20./21. Juni 2018 in Bonn nahelegen. Dort erfahren Sie mehr zum Thema in meinem Vortrag: „Das Unbekannte – wie verstehe, kümmere und steuere ich 20 Millionen Kunden auf 10 verschiedenen Kanälen und dies zur selben Zeit?“.
Ich freue mich, Sie dort zu treffen!