Wie funktioniert eigentlich … Online Big Dating?

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Menschen suchen Big Data Analytics. So finden sie in Warenkörben längst: „Mann klickt Pampers – bieten wir ihm noch Dosenbier an!”. Das ist irgendwie gewohnt und ethisch harmlos, weil ja rein kommerziell. Wie aber sieht das im Privaten beim Online Big Dating aus? Hoffentlich anders, denn…

Menschen suchen Liebe. Das hinterlässt Spuren: mitunter viele, mit denen sie nicht gerechnet haben … Beispielsweise beim vermeintlich intimen Suchen jenes „significant other” im Internet: click, like, send … Und der Server loggt mit.

Vier Harvard-Mathematiker verkuppeln und analysieren seit 15 Jahren, schräg “OkCupid” genannt: über zwölf Millionen Nutzer, 275.294 Match-Fragen (!) mit in Summe 776 Millionen gegebenen Antworten. Kostenfrei, aber nicht umsonst. Und dann textet Mann, Frau zuckt – mit den Schultern oder den Augenbrauen; und schreibt vielleicht zurück. So träfen sich täglich ca. 30.000 Kunden real zu ihrem first date, behauptet der Anbieter. Und fragt bei Inaktivität noch nach, wen man denn nun band (“like to tell us the other’s nickname?”) – Feintuning für die nächste Paarung.

Der Weg dorthin führt (alle elf Minuten?) durch dunkle Algorithmen, deren Quelle jene massenhaften Bewegungsdaten sind, von denen ein enthemmter Data Scientist wohl träumen mag. Welch Schatz, welch Verlockung, welch Geheimnis.

OkCupid-Mitgründer Christian Rudder gibt offen zu, dass sein Team nicht nur forscht, sondern mit dem Portal regelmäßig experimentiert: So empfahlen sie einer zufällig ausgewählten Untermenge an Nutzern absichtlich mal völlig unpassende Kandidaten (sog. schlechte „Matches”) als vermeintlich ideal  nur um zu prüfen, was passiert. Und siehe da:

“We took the analysis one step deeper. We asked: does the displayed match percentage cause more than just that first message — does the mere suggestion cause people to actually like each other? As far as we can measure, yes, it does. When we tell people they are a good match, they act as if they are. Even when they should be wrong for each other.”

Das erinnert arg an Facebooks Psycho-Experiment und irritiert doch zugleich: Wenn man sich vorstellt, wie das die „Betroffenen” empfinden mögen (die das übrigens nicht erfahren haben und sich angeblich „weiter mögen”). Oje. Laute Rufe nach einer Ethikkommission? Selber schuld, Heiratsmarkt 2.0 eben, oder? Gar bloß ein harmloser Big-Data-Spaß, ein pfiffiger A/B-Test, über den der smarte Erfinder noch locker-flockig bloggen kann?

Herr Rudder jedenfalls hat dazu ein Big-Data-Buch geschrieben, das im Frühling auch auf Deutsch erschienen ist. Es offenbart uns noch ein paar andere zwischenmenschliche Details, die der forsche Forscher „bei seinen Schätzchen” entdeckt haben will:

  1. Tinder-Test: Männer blicken auf hunderte Porträtfotos von Frauen, gefällig-spontanes „1-bis-5”-Anklicken, Ergebnis wie vermutet: normalverteilte Glockenkurve mit „3-von-5 Sternchen” im Mittel. Frauen umgekehrt aber hielten beim Draufgucken nur jeden sechsten (!) Mann für überdurchschnittlich.
  2. Experiment: Blenden wir den Profiltext serverseitig für jeden zweiten Suchenden doch mal aus und zeigen bloß das Foto … Unterschied im Verhalten der Werbenden: nur zehn Prozent Änderung im „Like”-Verhalten im Vergleich zum Original-Profil mit Foto und Text.
  3. Nächstes Experiment: „Blind date day”: Alle Fotos wurden aus den Profilen entfernt, nur die Texte blieben da… Die Response-Quote auf Kontaktanfragen stieg um 44 Prozent. Zitat …

“When the photos were restored at 4 pm, 2200 people were in the middle of conversations that had started 'blind'. Those conversations melted away. The goodness was gone, in fact worse than gone. It was like we’d turned on the bright lights at the bar at midnight.”

Dieser Plauderton zieht sich durch das Buch, amüsiert den Leser und lässt dann doch nicht vergessen: Hinter jeder ABT-observation steht nicht ein Windkraftsensor, sondern bangt ein Mensch, der ja nicht wirklich Teil eines soziologischen Experiments werden wollte, bloß weil er die AGBs zu schnell weggeklickt hat. Merke…

"If you’re not paying for it, you become the product." (Forbes)

Lesson learned: Das hat nix mit Governance zu tun. Oder Datenschutz. Oder Moral. Kann man machen. Der Experte staunt, der Laie wundert sich. Der Deutsche mahnt. Der Nutzer nutzt.

Disclaimer: Die in diesem Text verwendeten Wörter „Frau” beziehungsweise „Mann” bezeichnen Datencluster. Jene und auch die anderen Wörter in ihrer Kombination beziehen sich weder auf Sie als Lesende in Ihrer angeborenen/ gewählten Geschlechterrolle, noch decken sie sich durchweg mit persönlichen Einstellungen/ Erlebnissen des Autors oder den Werten des sie veröffentlichenden Unternehmens. 😉
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About Author

Michael Herrmann

Sr Solutions Architect

Michael Herrmann ist Sr Solutions Architect und Data Management Consultant bei SAS. Er berät Finanzdienstleister rund um Risiken, Governance und ihre „Vermeidung“, Presaler, PoC-Macher und Metadaten-Fan, bekehrter COBOL-Anwendungsentwickler mit abgebrochenem IT-Studium, Rheinländer im Exil, orientiert an Edward Tufte bis Scott & Douglas Adams, staunt über Deep Learning, Tabellenkalkulationen und Attributionsfehler.

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