Welche einschneidenden Veränderungen IFRS 17 für Versicherer unter anderem für das Rechnungswesen und die Finanzabteilung mit sich bringt, habe ich in meinem vorangegangenen Blogbeitrag erläutert. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Implementierung von Technologie, die bei der Umsetzung der Richtlinie hilft, und damit verbundene spezifische IT-Fragen.
Die Richtlinie tritt doch erst 2021 in Kraft – mag so mancher denken. Aber wie wir aus der Erfahrung mit der DSGVO wissen: Die Frist, die noch so weit entfernt scheint, rückt mit Riesenschritten näher. Und alle, die nicht rechtzeitig ihre Hausaufgaben machen, werden das Nachsehen haben.
Einmaleins in Sachen Implementierung
Was gilt es, bei der Implementierung entsprechender IT-Systeme zu berücksichtigen? Dazu empfiehlt es sich, folgende Fragen und Punkte im Vorfeld abzuarbeiten.
Was ist das Ziel?
Was ist das Wichtigste für das jeweilige Versicherungsunternehmen? Soll einfach „nur“ die IFRS 17-Richtlinie umgesetzt oder – am anderen Ende des Spektrums – ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt werden, der sämtliche Anforderungen erfüllt: internes/externes Berichtswesen und regulatorische Vorgaben, Solvency II, IFRS 17 …? Die meisten Versicherer verfolgen momentan einen Minimalansatz und zielen auf eine reine Erfüllung des IFRS 17-Standards, evaluieren dabei aber schon, was sich eventuell auch für andere Themen nutzen lässt. Etwas mehr Strategie bei der Planung ist sicherlich sinnvoll.
Wie viel Standardisierung ist notwendig?
Stellen wir uns eine Versicherungsgruppe mit mehreren Niederlassungen vor, die in unterschiedlichsten Ländern tätig ist. Wie viel Standardisierung ist in diesem Fall angebracht? Eine Möglichkeit ist das „One size fits all“-Modell, das gleichzeitig die Gelegenheit bietet, die aktuariellen und Rechnungswesenprozesse zu vereinheitlichen. Ein ganz anderer Ansatz ist die Implementierung spezifischer Lösungen für jede einzelne Niederlassung. Das mag auf lange Sicht nicht die beste Wahl sein, ist aber eine pragmatische Option für hier und jetzt. Als kurz- bis mittelfristiger Kompromiss kann ein hybrider Ansatz dienen.
Wie viel Freiheit braucht jeder Geschäftsbereich?
Eine Auffassung ist, dass IFRS 17 eine zentrale Kalkulationseinheit und einen zentralen Prozess benötigt – und zudem viel zu komplex ist, als dass sich einzelne Geschäftsbereiche individuell damit befassen sollten. Schließlich ist – gerade bei kleineren Einheiten – der Aufwand, sich mit den IFRS 17-Anforderungen im Einzelnen auseinanderzusetzen, unverhältnismäßig groß. Insofern sind ein zentrales Management und zentrale Prozesse sinnvoll. Allerdings gibt es auch das gute Argument, den einzelnen Geschäftsbereichen mehr Freiheit zu geben, sodass sie die für sich optimalen Vorgehensweisen herausfinden können. Der ideale Ansatz ist eine richtige Balance aus starker zentraler Governance und einem gewissen Grad an Freiheit auf lokaler Ebene. Aktuarielle Systeme sind zwar überwiegend noch lokal aufgestellt, das ändert sich aber nach und nach mit neuen IFRS 17-Plattformen, die in der Regel von der zentralen IT bereitgestellt werden.
Geschäftstransformation oder IT-Upgrade?
Zudem gilt es zu entscheiden, welchen Stellenwert das IFRS 17-Projekt im Unternehmen hat. Es kann beispielsweise der Auslöser für eine komplette Umstrukturierung der Finanzabteilung sein. Angesichts der straffen Zeitvorgaben ist es jedoch unter Umständen besser, sich nicht zu viel auf einmal vorzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt sollten sich Versicherer zunächst darauf konzentrieren, ihre finanziellen und aktuariellen End-to-End-Prozesse zu überarbeiten; darüber hinausgehende Transformationsaspekte können später wieder aufgegriffen werden.
Finanzierung und Steuerung
Und wie sollte das richtige Projekt-Governance-Modell schließlich aussehen? Was ist der beste Weg der Finanzierung? Hier ergibt sich wiederum die Wahl zwischen einer zentralen Governance auf der einen Seite und überwiegend lokalen Projekten und Budgets, die auf eine zentrale Quelle für Information und Standards zurückgreifen, auf der anderen Seite. Ein pragmatischer Ansatz wäre, so viel wie möglich zu verknüpfen und End-to-End-Prozesse für die gesamte Organisation zu etablieren. Das umfasst die IT-Architektur ebenso wie Anpassungen im aktuariellen System sowie eine zentrale Einbindung aller Beteiligten – vom Mitarbeiter im Rechnungswesen bis zum Analysten.
Der Weg ist das Ziel
Wie bei den meisten Transformationsprozessen ist die Diskussion um die Fragen genauso wichtig wie die Antworten. Das hört sich vielleicht philosophisch an, hat aber handfeste Gründe. Nicht selten bringt eine Auseinandersetzung mit den wichtigen Problemen weitere Aufgaben zutage, die es zu lösen gilt. Ein System auf den Weg zu bringen, das so einschneidende Veränderungen wie IFRS 17 adressiert, braucht viel Zeit – und ein guter Teil dieser Zeit sollte dafür aufgewendet werden, den richtigen Ansatz festzulegen. Sonst ist Chaos programmiert.
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