„Wer 100% sicher sein will, ist 100% zu spät.“ Diesen Satz habe ich letztens auf dem IoT Forum in München gehört. Er fasst gut das Gefühl zusammen, dass mich in der deutschsprachigen Industrie 4.0 Debatte beschleicht. Die Buzz-Word-Schlachten der letzten 48 Monate haben ihre Wirkung nicht verfehlt: Kaum ein Strategiepapier in Deutschlands Industrie in dem Industrie 4.0, Digitale Transformation oder Internet of Things fehlen dürften. Stabsstellen wurden geschaffen, Budgets reserviert, Berater engagiert und Innovationsaufträge an das Middle Management weitergegeben. Und dann … verharrt die eigene Organisation wie das Kaninchen vor der Schlange.
Die Industrie – vor Allem der Mittelstand – geht dabei in gewohnt eingeübter Manier vor. Schließlich wird ja nicht kopflos investiert - es muss schon ein konkreter tragfähiger Use Case her. Angesichts des Wettbewerbsdrucks geht ohne einen Business Plan der Investitionen in ein bis zwei Jahren amortisiert erst mal gar nichts. So läuft das Geschäft nun mal. So macht die deutsche Industrie seit Jahrzehnten erfolgreiche Projekte.
Das Missverständnis: Das Internet der Dinge ist kein Projektgeschäft. Natürlich ist die Suche nach tragfähigen Projektansätzen wichtig, jedoch sind gerade in der herstellenden Industrie disruptive Revolutionen weniger wahrscheinlich als viele kleine Reformen. Die Herausforderung ist, dass kleine singulär betrachtete Use Cases die nötigen Investitionen meist nicht rechtfertigen. Die Verbesserung eines Forecasts von Bedarfsspitzen, die Reduzierung des Ausschusses einer Stanzmaschine, die Optimierung des Ersatzteilbedarfs eines Produktes oder die Optimierung von Fahrtwegen in der Logistik – das alles ist wichtig und spannend, ermöglicht jedoch oftmals eher inkrementelle Verbesserungen als das Eröffnen neuer Horizonte. Das kann man gut oder schlecht finden - man kann es aber auch einfach mal akzeptieren. Wir sind eben derzeit weniger die disruptiven Innovatoren, sondern diejenigen, die das bestehende Geschäft noch besser machen wollen.
Richtig angepackt, liefert das Internet der Dinge zunächst weder Umsätze, Kosteneinsparungen noch neue Kunden, sondern nur eines: Daten. Und diese müssen ausgewertet werden, sollen sie denn über leicht kopierbare „Wenn-Dann-Regeln“ hinaus nachhaltige Mehrwerte liefern. Dafür ist eine Strategie nötig, die eine gewisse Risiko- und Investitionskultur mit der echten Einsicht verbindet, dass die Hidden Champions von morgen datengetriebene Unternehmen sind. Hätte die deutsche Industrie google erfunden, hätten sie vermutlich die Suche bepreist - das wahrscheinliche Resultat lässt sich leicht ausmalen. Wer gegen amerikanisch geprägte Unternehmen und Start-ups bestehen will, muss diese nicht kopieren, aber umdenken.
Die gute Nachricht: Aus Analytics-Perspektive sind auch Daten aus völlig unterschiedlichen Einsatzgebieten immer noch einfach Daten. Deren Auswertung unterscheidet sich technologisch nicht wesentlich – und das bietet enorme Synergien. Das Internet der Dinge ist daher ein Infrastrukturgeschäft - mit vielen verschiedenen Teilprojekten. Zu diesem Schluss kommt auch die Swisscom: „Bei den ersten Projekten hat sich gezeigt, dass es für die Entwicklung und den Aufbau von IoT-Anwendungen keine Standardrezepte gibt.“ Unternehmen die ihr Middle- und Projektmanagement also mit einer passenden analytischen Infrastruktur und Kultur ausstatten, ermöglichen die Umsetzung auch kleinster bisher unrentabler Use Cases. Neue Ansätze werden schnell qualifiziert, Modelle flexibel gebaut und bei Bedarf reibungslos operationalisiert. Somit wird aus einer Vielzahl mäßig interessanter Ansätze, plötzlich ein spannendes und vor allem rentables Geschäft für die industrielle Basis in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Wer mehr Einblicke in Erfahrungen aus IoT-Projekten will und z.B. verstehen will warum Design Thinking ein IoT-Gebot der Stunde ist, wird im Ebook Visualise the Impact fündig.