Wenn der dbb im Rahmen seiner Forderung für die Einkommensrunde 2014 schreibt "Der öffentliche Dienst ist in vielen Ländern Europas angeschlagen. Es sind oftmals genau die Länder, die aktuell die größten ökonomischen und sozialen Probleme haben.", dann mögen das viele in Deutschland nicht wahrhaben wollen. Aber dass Deutschland die letzten Krisen besser überstanden hat als viele andere Staaten, daran hatte auch eine gut funktionierende Verwaltung einen erheblichen Anteil.
Ich kann nicht beurteilen, für wie viele Arbeitnehmer die Rente mit 63 eine tatsächlich frühere Verrentung zur Folge haben würde. Ich kann auch nicht beurteilen, ob eine Verrentung nach 45 Beitragsjahren nicht auch eine frühere Pensionierung von Beamten mit 45 Dienstjahren nach sich ziehen wird. Ich kann aber beurteilen, dass die Herausforderungen weiter verschärft werden, die der demografische Wandel in der öffentlichen Verwaltung mit sich bringen wird.
Bereits ein Verhältnis von einer Neueinstellung auf jeden dritten Beamten, der in Ruhestand geht, wird zu einem Problem!
Innerhalb der nächsten 10 Jahre werden ca. 1/3 des jetzigen Personals in den öffentlichen Verwaltungen in den Ruhestand gehen. Dass dieses Personal 1:1 ersetzt wird, wird allein schon auf Grund der angespannten Haushaltslage vieler öffentlicher Haushalte und der 2020 in Kraft tretenden Schuldenbremse nicht möglich sein.
Aus einem Versorgungsbericht des Statistischen Landesamt Baden-Württembergs geht hervor, dass bereits eine Quote von 1:3, also eine Neueinstellung pro drei Ruheständler, den Haushalt Baden-Württembergs extrem belasten wird. Dass sich mittlerweile auch Baden-Württemberg ernstlich Sorgen macht, lässt bereits erahnen, wie es in anderen Bundesländern aussieht.
Aufgrund ihrer Struktur werden vom Ausscheiden besonders stark die Finanzverwaltungen betroffen sein. Hier werden in den nächsten Jahren überwiegend hoch qualifizierte erfahrene Sachbearbeiter, Sachgebietsleiter und Prüfer in den Ruhestand gehen, deren Wegfall kompensiert werden muss.
Jetzt sagt der Stammtisch: "Der Gedanke, es gibt künftig grob geschätzt 35.000 Finanzbeamte weniger, hat ja durchaus etwas für sich - da gibt es schon den einen oder anderen, den ich lieber heute als morgen im Ruhestand sehen würde."
Auf der anderen Seite ist die Befürchtung, dass eine Verwaltung, die wegen fehlenden Personals nicht mehr ihre Kernaufgaben erfüllen kann, nämlich die Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicher zu stellen, sowie die Sicherung des Steueraufkommens zu gewährleisten, besorgniserregend.
Was kann man tun?
„Die EDVisierung der Finanzverwaltung wird weiter zunehmen!“ , Herr MD Michael Sell (Abteilungsleiter Steuern des BMF) im Rahmen der Haarmann-Steuerkonferenz in Berlin am 20.02.2014.
Was meint Herr Sell damit? Feststeht, dass man mit deutlich weniger Personal ein weiter an Komplexität zunehmendes Steuerrecht umsetzen bzw. deren Umsetzung kontrollieren muss. Und um das zu gewährleisten, der Sachbearbeiter/in im Finanzamt, der Betriebsprüfer/in bis hin zum Steuerfahnder/in hoch effektiv eingesetzt werden müssen und hier eine intensive Datennutzung und Softwareunterstützung die tragende Rolle spielen wird.
Es ist unumgänglich, dass sich eine Fallauswahl noch stärker an der Prüfungswürdigkeit orientieren muss und folglich mehr „prüfunwürdige“ Fälle ungeprüft bleiben oder im Rahmen einer sog. Dunkelverarbeitung verstärkt automatisiert bearbeitet werden müssen. Diese Erkenntnis ist nicht neu und wird auch bereits durch die in der Verwaltung eingesetzten RMS-Verfahren im Ansatz umgesetzt. Eine Verbesserung des bisher stark regelbasierten RMS (laut eines bayrischen Finanzbeamten werden bei der Einkommensteuerfestsetzung ca. 2.000 Regeln angewandt) aber notwendig ist. Moderne analytische Verfahren z. B zur Anomalie Erkennung, statistische Vorhersagemodelle sowie das automatisierte Erkennen von Zusammenhängen, sind hier die richtigen Werkzeuge um aus den weiter zunehmenden Datenquellen (z. B. eBilanz, AIA, FATCA, CRS) die richtigen Informationen zu erhalten und bewerten zu können.
Auch sollte die Standardisierung von Arbeitsabläufen weiter zunehmen und automatisiert werden. Ziel hierbei, den Sachbearbeiter bei seiner Entscheidungsfindung und Weiterbearbeitung bestmöglich zu unterstützen, so dass eine Fallbearbeitung beschleunigt wird und weniger „falsche“ Entscheidungen den Veranlagungs- und Prüfprozess verlangsamen. Auch eine Behörde wie die Autorité des Marchés Financiers (AMF), die Französische Finanzmarkt Aufsicht, hat die Stärken eines modernen Fallbearbeitungssystems erkannt und setzt mittlerweile auf die Software SAS Enterprise Case Management.
Ein weiteres Beispiel, in dem ein Softwareinsatz die Prüfprozesse erheblich verbessert hat, kommt aus der belgischen Finanzverwaltung. Laut Angaben des Directors des Belgium Special Tax InspectorateS konnte durch den Einsatz der SAS Prüfsoftware zur Ermittlung und Bekämpfung von USt-Karussellen, das SAS-Fraudframework, die Zeit die ein Prüfer allein schon für das Sammeln und bewerten von Informationen benötigte von 30 Tagen auf wenige Minuten verkürzt werden. Vielleicht werden Äußerungen eines Steuerfahnders „Wir jagen Ferraris mit dem Fahrrad“ (DIE ZEIT Nº 07/2014, Februar 2014) auch in Deutschland bald schon der Vergangenheit angehören, wenn sie die technische Unterstützung bekommen, die sie verdienen.
Ein gute Nachricht! Zumindest für fast alle - einen schönen Gruß an all die Schwarzers, Hoenesse und Zumwinkels!