Globus und DFKI - KI Forschung über der Fläche AI#30

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Links der Bäcker, rechts der Bio-Laden, dann die Information und visavis der Tempel. Kurz vor dem Tempel noch die Stele. Die Kassen, die Info-Theke und sogleich der Eingang ins Paradies, in den Tempel. Wo sind wir? Wir befinden uns in St. Wendel bei Globus, Am Wirthembösch um genau zu sein, 40 Kilometer von Saarbrücken entfernt. Wohin navigiert KI den Handel? Wir sprachen mit Rouven Dörr (Globus) und Frederic Kerber (DFKI).

Bei Globus könne man Einkaufen ohne Kompromisse, so der Slogan auf der unternehmenseigenen Homepage. Und in der Tat, lässt man seinen Blick über die Fläche schweifen – so nennt Rouven Dörr, Bereichsleiter Shopping Experience in der Abteilung Multichannel bei Globus das Konstrukt aus Regalen, Waren und Dienstleistungen – übermannt einen genau dieses Gefühl: Hier kann man alles haben, was das Herz begehrt und noch viel mehr. Und das macht zufrieden.

Dörr ist für diese Zufriedenheit von Berufs wegen verantwortlich und nimmt seine Aufgabe ernst. Sehr ernst sogar. Er ist der Mann, der die Shopping Experience beim Kunden, also uns, für Globus zu optimieren hat. Doch reden wir lieber nicht im Imperativ. Er macht das nämlich gerne und aus sich heraus. Er möchte das Einkaufserlebnis der Globus-Kunden vervollkommnen. Und das hat er mit der Stele schon mal sehr gut hingekriegt.

Globus – das steht nicht nur für schnöden Konsum, sondern für Künstliche Intelligenz. Globus – das steht nicht nur für Bäckereien, Olivenöle, Socken, Pfannen oder Bioläden, sondern auch für das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), dessen Partner Globus ist. Und hier schließt sich der Kreis und die Geschichte kann beginnen.

Erhöhter Puls

Globus und das DFKI arbeiten schon seit vielen Jahren zusammen. Schon so lange, da wurde KI noch gar nicht so ausgiebig hoch und runter dekliniert. Die Kooperation lebt in dem Bewusstsein, alle technologischen Synergien im Saarland nutzbar machen zu wollen. „Wir sind damit am Puls der Forschung“, reflektiert Dörr. Man wolle Technologie sinnvoll für den Handel adaptieren. Und so bringt das DFKI manchmal Forschungsprojekte herbei, die Globus unterstützt, zum Beispiel mit Daten, um Prototypen zu erforschen.

Die Stele war so ein Prototyp, aus dem jetzt eine handfeste Anwendung geworden ist. Dörr ist eigentlich Volkswirt. Nach seinem Studium war er einige Zeit als Unternehmensberater aktiv, dann lange Jahre bei der Deutschen Telekom bei Video-on-Demand und dem IP-TV. Und nun, bei Globus, verantwortet er die Shopping Experience und wie die gemeinsam mit neuen Technologien wie Künstlicher Intelligenz verfeinert werden kann. Und das macht er nicht allein, sondern – wie erwähnt – zusammen mit dem DFKI.

„Die Zukunft des Einkaufens hat mich schon immer gereizt. Hier, bei Globus, sind die Wege noch nicht ausgetreten. Und auf diesem kreativen Terrain gestalte ich mit.“ Hörte sich an wie bei einem Bewerbungsgespräch als er das sagte. Dennoch, man hat genau diesen Eindruck von ihm: er ist hochmotiviert. Als wir ihn diesen Satz sagen hören, sitzen wir im Wohnzimmer des Innovative Retail Laboratory (IRL) des DFKI, direkt über dem Markt – der Fläche wie er seinen Markt liebevoll nennt.

„Dieses Lab ist Showroom für alle“, sagt Frederic Kerber, Leiter des IRL am DFKI, „die wissen wollen wie die Zukunft des Einkaufens aussieht. Der Showroom ist alles in einem. Wohnzimmer, Marktplatz, Obstabteilung, Wurst- und Käsetheke, Müsliregal, Klamottenabteilung, Olivenölabteilung, Recyclinghof, PKW-Parkplatz, Küche, Vorratsschrank, Gewächshaus.“

Wir sitzen also auf einer grauen Couch. „Hier, im Lab-Wohnzimmer oder Heimbereich, beginnt ja die Shopping-Experience der Zukunft“, sagt Kerber. „Wir forschen an der Einkaufsvorbereitung. Die Mutter aller Anfänge ist die Einkaufsliste.“ Und die sei von überall im Haus der Zukunft ansprechbar. Sie kann per Sprachinteraktion mit Alexa, per intelligentem Kühlschrank, per Vorratsschrank oder per intelligentem Couchtisch hier im Wohnzimmer befüllt werden. Und zwar wie folgt.

Der Tisch

Der Couchtisch erkennt alles mögliche, das auf ihm steht. Kann mit diesem Möglichen kommunizieren und eine Interaktion mit den Menschen auslösen. Der Tisch ist ein sogenannter Microsoft Surface Table. Den gibt es schon – jetzt natürlich für Forschungszwecke technologisch aktualisiert. Die dahinterliegende Datenbank könnte auch mit den Daten aller EAN’s befüllt werden. Noch ist hier aber für Forschungszwecke ein Teil der Produktpalette von Globus abgebildet. Dabei sei wichtig, dass nie der Mensch aktiv mit der Technologie interagieren möge. Die soll ja in den Hintergrund rücken. „Die Technologie soll sich an den Menschen anpassen“, betont Kerber. Und daran bastelt man in St. Wendel auch, Beispiel Vorratsschrank.

Ausgangssituation sind verpackungsfreie Läden. Das DFKI hat ein Konzept entwickelt, mit dem ein solcher Laden mit einem Vorratsschrank kommuniziert – grob gesagt. Versetzen wir uns in die Lage einer x-beliebigen Familie. Nennen wir sie Müller. Alter: egal, Kinder: egal, Geschmacksrichtung: egal. Was zählt, ist das Vorhaben von Familie Müller. Die will morgen Nudeln mit Tomatensauce kochen, greift in den Vorratsschrank und muss feststellen, dass für das Rezept nicht alle Zutaten da sind. Das hat Familie Müller aber nicht selbst herausgefunden, sondern der Vorratsschrank, nachdem ihm die Familie das Rezept eingab. Und damit ist die Sache klar. Vater Müller geht am nächsten Tag auf Anraten des Schranks in den Laden und nimmt seine leere Nudeldose mit. Nicht Fussili will das Rezept haben, sondern Rigatoni. Nun passiert folgendes: Der Mann im Laden füllt die Dose auf und programmiert sie gleichzeitig so um, dass der Schrank das neue Produkt in der Dose zuhause erkennt. Herr Müller stellt dann seinen Fang in den Schrank und der ist zufrieden, gibt grünes Licht für’s Rezept.

Der Schrank

Was ist da passiert? Ohne, dass Herr Müller sich mit der Technologie auskennt, hat ihn der Schrank bei seinen alltäglichen Hausarbeiten zufriedenstellend unterstützt. Und ohne, dass der Mann im Laden sich mit Technologie auskennt, hat er die Dose umprogrammiert. Technologie passt sich Mensch an – ein Idealzustand.

Und dieses Prinzip will der Handelskonzern auch auf interne Prozesse anwenden: Mit Digitalisierung und KI, Stichwort Robotics, will Dörr idealerweise die Abläufe automatisieren. Und wenn er das sagt, denkt er selbstverständlich auch an die Ausstattungen der Mitarbeiter‘innen. Da schaut sich Globus die Regalbefüllung durch Robotics an. Obst und Gemüse wären so ein Beispiel.

Forschen für die Wursttheke

Per Bilderkennung wird der Umriss jeder einzelnen Frucht erkannt. Hebt ein Kunde im Laden nun das Obst an eine Stelle, wohin es nicht gehört, schlägt es Alarm und die Mitarbeitenden können schnell wieder Ordnung ins Regal bringen. Die Erkennung erfolgt über ein neuronales Netz. Liegt die Orange unter den Pfirsichen wird das als Fehlplatzierung erkannt und an den Mitarbeiter weitergegeben per mobilem Endgerät. Die Technologie zählt zudem jede einzelne Frucht und macht Bestandsaufnahme in der Auslage. Flexible Preissenkungen könnten so errechnet werden, um den Abverkauf zu beschleunigen.

Aber auch an der Wursttheke wird geforscht. Kundin sagt: Diese Wurst vorne rechts, schräg links von ihnen. Verkäufer sagt: meinen sie die? Kundin: Nein, die genau daneben. Per Kamera erkennt der Rechner nun den Arm des Kunden und projiziert ein Licht in die Auslage. Dieses Licht wandert mit der Handbewegung der Kunden stets mit. Der Verkäufer kann genau erkennen, welche Wurst der Kunde meint.

Globus will, wie gesagt, das Einkaufserlebnis verbessern. Und macht sich die hohe digitale Affinität der Leute zunutze. „Man darf nicht auf der Stelle treten“, sagt Dörr. Gerade Corona habe das Thema Digitalisierung ja nochmal beschleunigt. Und auch der Handel verändert sich jetzt rapide. „Wir können uns heute glücklich schätzen, denn wir müssen nicht von vorne anfangen wie viele andere in der Branche, eben weil wir schon lange forschen.“

Wohin navigieren die neuen Technologien denn den Handel? Da ist Dörr sich sicher. Es gehe schnurstracks zur Verschmelzung von Online- und Offlinehandel. Beides wird sich zu einem sinnvollen Mix transformieren. Es wird keine Ablösung durch online geben. Der direkte Kundenkontakt bleibt wichtig. Die Stele ist der Beweis, dass Globus wirklich glaubt, was Dörr sagt. „Ja, die Stele ist für alle da. Wer weder die App noch andere digitale Dinge nutzen will, denen ist mit der Stele geholfen.“

Danke Frederic Kerber und Rouven Dörr für dieses Gespräch!

Tags AI Series
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Andrea Deinert

Journalist // Blogger for AI and Data Science // Data Science Community Liaison // Academic Liaison || Portraits opinion leaders from politics, society and research to reveal the meaning of AI and ethics for future society.

1 Comment

  1. Danke für diesen frischen Artikel. Bei meinem nächsten Einkauf bei Globus werde ich mich achten....und mein Einkaufserlebnis geniessen!

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