Machine Learning und selbstlernende Algorithmen lassen sich in unterschiedlichsten Geschäftsbereichen einsetzen, um manuelle Prozesse zu unterstützen oder zu automatisieren. Betrugserkennung und Geldwäscheprävention bieten sich dafür an – bedürfen dabei aber besonderer Umsicht. Denn jede Fehleinschätzung kann entweder große finanzielle Verluste oder einen erheblichen Imageschaden nach sich ziehen. Wie die Technologien sinnvoll anzuwenden sind, erklärt uns Christian Engel. Ebenso ist folgendes White Paper zu diesem Thema Online erhältlich.
Lohnt es sich überhaupt, darüber nachzudenken, mit Machine-Learning-Algorithmen die Prozesse zur Aufdeckung von Geldwäsche zu verbessern?
Christian: Geht es um den Verdacht auf Geldwäsche, können selbstlernende Algorithmen die manuellen Prüfprozesse von Banken ergänzen. Das Risiko falscher Beurteilungen lässt sich damit tatsächlich senken.
Gehen wir mal zur aktuellen Ausgangslage: Wie machen die Banken das heute?
Christian: Für das Erkennen potenzieller Geldwäscheaktivitäten ihrer Kunden setzen Banken vor allem auf regelbasierte Anwendungen in ihren Detektionsprozessen. So können sie gängige, aber auch spezielle Geldwäscheaktivitäten identifizieren.
Wo kommen diese Regeln her?
Christian: Die Regeln werden vorab definiert, implementiert und - den Umständen entsprechend - bei Bedarf in den Schwellenwerten regelmäßig angepasst, um die bestmögliche Trefferrate von verdächtigen Kunden zu erzielen. Der Output dieser regelbasierten Anwendungen ist eine Klassifizierung in "positiv", also verdächtige, und "negativ", also unverdächtige Kunden. Die positiven Fälle werden an Ermittler übergeben, die in manuellen Prozessen feststellen, ob der Anfangsverdacht widerlegt werden kann, oder ob sich der Verdacht erhärtet und der Fall schließlich zur Anzeige gebracht werden muss.
Wie kann ich mich dem Thema Geldwäsche mithilfe von Machine-Learning-Algorithmen nähern?
Christian: Eine Aufgabe könnte es ein, aus den verfügbaren Informationen wie Kundenstamm-, Konto- und Transaktionsdaten auffällige Muster und Korrelationen automatisch zu erkennen, um die Prüfer während des Investigationsprozesses mit diesen Informationen bei ihren Entscheidungen zu unterstützen. Selbstlernende Algorithmen werden zur Unterstützung manueller Prüfungen eingesetzt. Durch die Fähigkeit der Algorithmen, aus Daten kontinuierlich zu lernen, werden bekannte, aber auch neue potenzielle Geldwäscheaktivitäten schnell erkannt.
Wie genau läuft das ab?
Christian: Das Ergebnis einer Klassifizierung durch den Algorithmus wird als Prozentwert zwischen null und 100 ausgegeben und steht für die Wahrscheinlichkeit, mit der der Algorithmus annimmt, dass der Kunde kein potenzieller Geldwäscher ist und der Anfangsverdacht im weiteren Verlaufe der Untersuchung widerlegt wird. Der Algorithmus kann zu einer der folgenden Einschätzungen gelangen:
- Der Algorithmus stuft einen Kunden korrekt ein, entweder als potenziellen Geldwäscher oder nicht als Geldwäscher.
- Der Algorithmus stuft den Kunden falsch ein und klassifiziert ihn als Geldwäscher, obwohl er in Wirklichkeit nicht auffällig ist (ein sogenannter Betafehler).
- Der Algorithmus übersieht einen echten Geldwäscher. Das wäre der schlimmste anzunehmende Irrtum und wird daher als Alphafehler klassifiziert.
Worin besteht nun die Komplexität dieses Prozesses? Und welche „Macht“ hat der Machine-Learning-Algorithmus?
Christian: Es ist Teil des Prozesses, denjenigen Prozentwert zu definieren, ab dem ein Kunde als nicht verdächtig in Bezug auf Geldwäsche klassifiziert werden soll. Um diese Frage beantworten zu können, müssen die Ergebnisse des Modells genau untersucht werden. Dazu gehört auch die Abwägung mit der Risikobereitschaft der Bank. Mit Machine Learning werden auf Basis echter Daten die Schwellwerte für diese Prozentwerte simuliert und gegebenenfalls angepasst. Dabei spielt immer eine Rolle, wie viele Treffer der Algorithmus im Abgleich mit der Realität erzielt hat.
Welchen Wertbeitrag für eine Bank kann diese Optimierung erwirtschaften?
Christian: Proof of Concepts legen nahe, dass bei einer Automatisierung von bestimmten Aufgaben in der Investigation eine Aufwandsreduktion von bis zu 50 Prozent möglich ist. Sie wird zudem von deutlichen Verbesserungen bei Qualität und Prozessdauer begleitet. Da Machine-Learning-Ergebnisse oft nur schwer nachvollziehbar sind, jedoch erheblicher Dokumentationsbedarf in der Geldwäscheprävention besteht, liegt der Schwerpunkt allerdings zunächst auf einem rein unterstützenden Einsatz zur Beschleunigung der Prozesse und zur Verbesserung der Ergebnisqualität.