Die Versicherungsbranche (Aktuariat) ist ein langer, ruhiger Fluss, auf dem träge Dampfer kreuzen. Sagen die einen. Sie ist ein Haifischbecken, das nur die stärksten überleben. Sagen die anderen.
Recht haben sie beide. Denn zum einen ist der Versicherungsmarkt ganz klar ein reifer Markt, in dem der Handlungsspielraum für die einzelnen Player begrenzt ist. Andererseits aber findet gerade wegen dieser Sättigung ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb statt. Das perfekte Rezept für einen ruinösen Preiskrieg also – den sich die Versicherer aber auf Dauer nicht leisten können.
Und mittendrin in diesem Spannungsfeld steht: der Aktuar. Er muss Tarife modellieren, die gleichzeitig für den Kunden attraktiv und für den Versicherer profitabel sind. Das war schon immer so – aber jetzt zieht die Branche das Tempo an.
Versicherungsprodukte müssen heute nicht mehr nur solide sein, sondern auch schnell. Die totale Transparenz, die das Internet und insbesondere die Vergleichsportale in den Markt gebracht haben, verändert das Kundenverhalten grundsätzlich. Der Kunde schaut nach dem Tarif, der jetzt für ihn günstig ist. Das funktioniert ähnlich wie der Preis an der Tankstelle: Wenn das Benzin bei Shell abends drei Cent günstiger ist, lässt sich auch der Aral-Stammkunde nicht lange bitten. Entsprechend ist auch bei Versicherungen eine neue Agilität in der Tarifierung gefragt. Die Aktuariate müssen Tarife viel schneller anpassen oder neu entwickeln und in Produkte umsetzen können.
Agile Produktgestaltung, veraltete Prozesse
Nun sind Aktuariate, ganz neutral betrachtet, sehr evolutionär gewachsene Konstrukte. In der Regel verlassen sie sich auf über viele Jahre gewachsene Prozesse und Strukturen, die sehr stark manuell funktionieren und oft mit vielen Systembrüchen behaftet sind. Daraus resultiert nicht nur ein hohes Fehlerrisiko, sondern auch, dass ein End-2-End Durchlauf lange dauert und nicht leicht iterierbar ist.
Ebenso wenig zeitgemäß ist, dass heute in aller Regel bei der Tarifmodellierung lediglich Standardmodellierungsverfahren verwendet und dafür jahraus, jahrein die gleichen Daten und Variablen zum Einsatz kommen. Besonders schwierig wird es – kaum überraschend – dann beim Thema Real-Time. Oft sind Tarife noch hart in programmierten Rechenkernen hinterlegt. Ohne IT sind hier keine Anpassungen möglich. Entsprechend lange dauert dann eine Tarifänderung oder gar eine Implementierung eines neuen Tarifes. Schnell, agil und flexibel, wie es Kunden, Markt und Vertriebskanäle erfordern, ist das nicht.
Lautet die Antwort also – wie derzeit gefühlt überall – Künstliche Intelligenz? Immerhin scheint der Trend in diese Richtung zu gehen: Die Fukoko Mutual Life in Japan zum Beispiel hat bereits viele Mitarbeiter durch KI ersetzt.
So weit würde ich nicht gehen, wenn es um das Aktuariat geht. Klar ist aber: Der Aktuar muss vom Tarif- und Modellverwalter wieder zum Innovationstreiber in der Versicherung werden. Dabei kann und muss die Technologie helfen, und dabei bieten sich KI und Machine Learning an.
Modellierung und Machine Learning: ein Traumpaar
Wenn man sich mal den gesamten Ablauf vom Daten sammeln bis hin zum Tarifdeployment anschaut, offenbart sich für jeden Teilschritt eine Vielzahl an Modernisierungsmöglichkeiten. Und genau hier setzt die aktuarielle Transformation mit SAS an. So sind beispielsweise Machine Learning Methoden nicht nur verfügbar, sondern sie stehen - neben einem Programmierinterface – auch auf visuellen Oberflächen bereit und sind damit auch direkt für den Aktuar einfach zugänglich und nutzbar. Für eine Standortbestimmung ein GLM mal kurz auf die Probe stellen? Hier ist das problemlos machbar. Die Kombination von Machine Learning und Modellierung wird zur Schlüsselkompetenz.
Dabei ist eine Modernisierung im Aktuariat mit SAS kein Erdbeben, das keinen Stein auf dem anderen lässt. Denn es gibt in Versicherungen zahlreiche gut funktionierende Vorgänge. Um sie – also zum Beispiel um eine gut etablierte GLM-Modellierung – lassen sich die SAS Module gut drum herum legen. So kann gut Funktionierendes integriert und die aktuarielle Exzellenz erhöht werden.
Tatsache bleibt aber auch: Der Aktuar mit seiner Erfahrung, seinem Augenmaß und seiner Kreativität muss das Rückgrat einer Versicherung bleiben. Um ihm die Möglichkeit zum agilen Handeln zu geben und die Time-to-Market entscheidend zu verkürzen, braucht er aber neue Werkzeuge. Sein Beruf wird auch in Zukunft nicht durch Algorithmen übernommen, sondern durch sie noch vielfältiger.
Ausblick
KI und Algorithmen sind nur ein Teil der Lösung. Der beste Tarif nützt nichts, wenn er nicht schnell zum Kunden kommt. Wie das geht erfahren Sie in meinem nächsten Blogbeitrag.
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