EU-Umsatzsteuerkarusselle ergaunern Milliarden – moderne Analytik bringt sie zum Stillstand

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Umsatzsteuerkarusselle drehen auf dem Jahrmarkt der Straftaten tagtäglich fröhlich ihre Runden. Sie sind bei einer cleveren Spezies von Kriminellen ein beliebter Klassiker, der sich wie ein geldgieriger Virus immer wieder einnistet, wenn nichts dagegen unternommen wird. Dabei werden jährliche viele Milliarden Euro auf betrügerische Konten geschaufelt.

Die Basis: Handel mit Zwischenhändlern

Umsatzsteuer hat nach europäischem Recht nur der Käufer am Ende der Handelskette zu entrichten. Erst der letzte Käufer in der Kette, also der Endverbraucher, hat die Umsatzsteuer tatsächlich zu bezahlen, da er nicht mehr zum Abzug der Vorsteuer berechtigt ist.

Unternehmen, die zuvor die Ware an weitere Unternehmen weiterverkaufen, sind grundsätzlich von der Zahlung der Umsatzsteuer befreit. Da jeder Zwischenhändler zunächst auch als Käufer gegenüber dem vorherigen Unternehmen auftritt, ist er zwar verpflichtet, die Umsatzsteuer zu entrichten, erhält diese aber als Vorsteuerabzug vom Finanzamt zurückerstattet.

Was ist ein Umsatzsteuerkarussell?

Bei einem Umsatzsteuerkarussell handelt es sich um eine spezielle Form organisierter Kriminalitität, die darauf abzielt, Umsatzsteuerzahlungen und -rückflüsse gegenüber dem Fiskus elegant zu vertuschen und damit Steuergelder in die eigene Tasche fließen zu lassen. Das Grundprinzip ist auch dem Fiskus bestens bekannt. Waren es vor einigen Jahren nur vorgespielte Warengeschäfte, werden heute oft sehr große reale Warenmengen von Händler zu Händler im Kreis bewegt, ohne dass die Ware je zu einem Endkunden ausgeliefert wird. Im Kreislauf erfolgt von einer betrügerischen Firma eine unberechtigte Erstattung der Vorsteuer, obwohl die Ware rechtmäßig ohne Umsatzsteuer im Rahmen eines EU-grenzüberschreitenden Handels erworben wurde.

Wovon wird das Karussell angetrieben?

Die Betrüger nutzen zwei Facetten des europäischen Umsatzsteuerrechts aus. Einerseits wird bei grenzüberschreitenden EU-Geschäften nach dem Bestimmungslandprinzip im Gegensatz zu Inlandsgeschäften keine Umsatzsteuer fällig. Auf der anderen Seite steht dem Händler ein ausreichendes Zeitfenster von bis zu mehreren Monaten für die Entrichtung der Steuerabgabe an den Fiskus zur Verfügung, während die Erstattung der abgeführten Umsatzsteuer nur wenige Tage oder Wochen bis zum nächsten Monatsende dauert. Es kommt also eher Geld rein, als abgeführt werden muss. Die implizite Umsatzsteuerfreiheit beim Handel über EU-Grenzen in Kombination mit der Unterschlagung abzuführender Mehrwertsteuereinnahmen bildet den Antrieb für die kreative Erzeugung dieser kriminellen Karusselle.

Erfolgskriterien für den Betrug

Entscheidend für den Erfolg eines Umsatzsteuerkarussells ist, dass sich das Karussell möglichst schnell dreht und große Warenmengen in möglichst kurzer Zeit im Kreis bewegt werden. Die Rotationsgeschwindigkeit sowie Menge und Preis der bewegten Ware sind die maßgeblichen Kriterien für die Höhe der Beute. Aus diesem Grund sind kleine, gut transportierbare und dabei hochwertige Waren wegen des höheren Gewinns besonders gut geeignet. So handelt es sich oft um Elektronikprodukte, Schmuck, Computerchips oder Ähnliches.

Der Faktor Zeit

Früher oder später droht jedes Umsatzsteuerkarussell erkannt zu werden. Es geht den Betrügern deshalb darum, schneller als die Steuerfahndung zu sein und den ergaunerten Gewinn auf eigenen Konten zu sichern. So schnell wie die betrügerischen Zwischenhändler entstanden sind, verschwinden sie meistens wieder. Dabei gilt es, in kürzester Zeit alle Verbindungen zu Geschäftsführern, Konten, Adressen und Telefonnummern zu verschleiern.

Erkennung mit analytischen Methoden

Umsatzsteuerkarusselle können besonders gut erkannt werden, wenn die Daten der Steuerverwaltung mit modernen Softwarewerkzeugen sofort auf die komplexen Sachverhalte des Umsatzsteuerkarussells untersucht werden, um die verwendeten Tricks systematisch aufzudecken. Dazu gehört die Abarbeitung von Erkennungsregeln, wie z. B. die Suche nach ähnlichen Firmen bzgl. der Strukturen, Gründer etc.; die Suche nach Firmen mit höheren Steuerrückforderungen als -auszahlungen, nach Firmen mit gleichzeitigem oder ähnlichem Gründungszeitpunkt oder nach Firmen, die über EU-Grenzen agieren und typische geeignete hochwertige Waren handeln, um nur einige Regeln zu nennen.

Die bewährten Vorgehensweisen der Betrüger sind der Finanzverwaltung weitgehend bekannt. Die heutigen Herausforderungen liegen stärker darin, den Betrügern in Bezug auf Geschwindigkeit und Cleverness zuvorzukommen. Dafür sind intelligente Systeme erforderlich, mit denen es gelingt, die Vielzahl der Steuer-Datenquellen, die in unterschiedlichsten Fachanwendungen dezentral gespeichert sind, schnell und treffsicher analytisch auszuwerten. Es ist dafür notwendig, die verschiedensten, oft dezentralen Steuer-Datensysteme flexibel miteinander zu verknüpfen und neben starren Regeln analytische Modelle zu bilden, die es ermöglichen, aus bereits erkannten Betrugsszenarien zu lernen und schneller neue Betrugsmuster aufzuspüren. Die reine Abarbeitung bekannter Regeln genügt nicht mehr, da sich versierte Betrüger ebenso schnell anpassen und mit hoher Geschwindigkeit agieren.

Analytics als Wegbereiter der modernen Steuerbetrugsprävention

Erfahrungen verschiedener EU-Länder haben gezeigt, dass der Einsatz analytischer Werkzeuge und Methoden für eine moderne Betrugsprävention der Steuerverwaltung unverzichtbar geworden ist. So konnte allein in Belgien der Umsatzsteuerbetrug durch den Einsatz einer analytischen Betrugspräventionslösung um 98 Prozent reduziert werden, was in etwa einer Milliarde Euro entspricht (siehe hierzu: http://www.sas.com/en_us/customers/tax-fraud-belgium.html). Vergleichbare Beispiele aus anderen EU-Ländern kommen zu ähnlichen Ergebnissen.

Eine moderne hochperformante Analytics-Lösung ist die geeignete Waffe, um bereits bekannte und zukünftige - heute noch unbekannte - Betrugsmuster zu bekämpfen und enormen finanziellen Schaden abzuwenden. Einige innovative Steuerverwaltungen in Europa haben sich bereits analytisch bewaffnet, andere sind noch völlig untätig. Es ist Zeit, diese Art milliardenschweren volkswirtschaftlichen Schadens mit dem Einsatz einer analytischen Betrugpäventionslösung abzuwenden.

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About Author


Michael Hohensee ist als Business Development Manager im Bereich Public Sector bei SAS tätig. Zuvor lag sein Fokus auf dem Bereich Fraud & Security Intelligence sowohl im Public Sector. Als Manager des zugehörigen Customer-Advisory-Teams beschäftigte er sich mit Betrugsprävention und -bekämpfung bei Finanzdienstleistern sowie bei öffentlichen Auftraggebern und Sicherheitsbehörden in Nordeuropa. Mit seiner Erfahrung als zertifizierter Projektmanager hat er verschiedenste Analytics-Projekte unterschiedlicher Komplexität erfolgreich begleitet. Sein Berufsweg ist stets mit dem Einsatz moderner IT-Lösungen zur Analyse von Unternehmensdaten verknüpft. Er besitzt umfangreiche Kenntnisse im Presales und Business Development.

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