Ich bin ein echter Online-Fan. Amazon-Prime-Kunde vom ersten Tage. Carsharing-Auto holen, nur mit dem Handy. Wozu brauche ich Fernsehen, wenns auch Netflix gibt? Und Einkaufen im Supermarkt macht auch weniger Spaß, als einfach online zu bestellen und liefern zu lassen!
Trotzdem bin ich kein Nerd, der nur mit Maschinen interagieren will. Ich liebe online, weil die Services einfach toll sind und mir die Amazon-Rezensionen helfen und ich diesen vertraue. IoT begeistert mich, wenn ich in ein schönes Carsharing-Cabrio steige und mir die ganzen kleinen Gadgets und Features das Leben erleichtern und egal, welchen Wagen ich habe, im Navi all meine Adressen gespeichert sind und mich immer sicher nach Hause bringen. Wenn es mal nicht so gut läuft, ist es aber immer wieder schön und auch essenziell wichtig, dass mir Menschen weiterhelfen können.
Was also tun, wenn der Wagen einen Schaden hat, oder das Netz grad schlecht ist und die Miete nicht beendet werden kann? Ganz einfach: Dafür gibt es im Boardcomputer den Service Call Button, und innerhalb weniger Sekunden hat man einen kompetenten Mitarbeiter an der Strippe, der einen nicht mal nach Namen, Geburtsdatum, Adresse oder Sozialversicherungsnummer fragen muss, sondern direkt helfen kann.
Und ich kann hier nur für mich selbst sprechen, aber bisher hatte man immer genügend Zeit für mich, und mir wurde mit allem in wenigen Minuten weitergeholfen.
O.K., schön wäre es auch noch, wenn sich in dem netten Mini Cabrio beim Einsteigen mein Handy direkt mit dem Entertainment verbindet, Green Day losplärrt und sich der Sitz halt wieder so einstellt, wie ich mir es das letzte Mal eingerichtet habe. Oder wie wäre es, wenn mir nach der Fahrt eine Push Message mitteilt, dass ich zehn Freiminuten für die nächste Fahrt bekomme, weil mein Telematic Score besonders gut war? Na ja: Man darf ja auch noch träumen!
Das ist ein Teil der schönen neuen Welt, wie ich sie mir vorstelle. Wenn ich nun aber einen Blick auf die ganze Realität werfe, muss ich sagen, dass ich diese positiven Erlebnisse nur bei äußerst wenigen Dienstleistungen habe, die ich in Anspruch nehme. Nein, im Gegenteil muss ich beanstanden, dass meine persönliche Customer Experience gefühlt immer schlechter wird. Zugegeben bin ich sicherlich durch die Positiverlebnisse verwöhnt und frage mich: Wieso bekommen die anderen das denn nicht auch hin? Warum erzählt mir die Mitarbeiterin in der Filiale meines Lieblingsmodehändlers, dass sie nichts mit dem Paket zu tun hat, das ich online geordert habe, das aber noch nicht in der Filiale angekommen ist? „Das sind nicht wir; das sind andere, die von der Website, mit denen haben wir nichts zu tun!“
Aus meiner beruflichen Praxis ist mir natürlich absolut klar, warum die Unternehmen teilweise so handeln, wie sie handeln und mit mir als Kunden kommunizieren. Die meisten von ihnen sind in einer digitalen Transformation, die viel Kraft kostet und vor allem, abgesehen von den technischen und organisatorischen Herausforderungen, auch einen menschlichen Veränderungsprozess und einen Kulturwandel für das Unternehmen als gesellschaftliches Konstrukt bedeutet.
Eine jüngst veröffentlichte Forbes-Studie, die in Zusammenarbeit mit SAS entstanden ist, bestätigt diese Sichtweise auch aus den Unternehmen selbst heraus. Dabei wurden Führungskräfte aus Unternehmen verschiedenster Branchen befragt, was einige, wie ich finde, interessante Ergebnisse hervorgebracht hat. So werden als Top-Herausforderungen (Seite 9, Figure 1) für eine bessere Customer Experience aus meiner Sicht drei Hauptpunkte genannt:
- Die Komplexität, Service-Prozesse als Customer Journey zu orchestrieren,
- die Schwierigkeit, Kanäle zu integrieren, die in vielen Unternehmensorganisationen in Silos organisiert sind (was nach sich zieht, dass IT- und Dateninfrastruktur sowie auch BI und Marketingsysteme eher heterogen gewachsen sind),
- die Fähigkeit, schnell oder unmittelbar zu handeln oder handlungsfähig zu sein, wenn der Kunde in Kommunikation treten möchte.
Besonders die Antworten auf die Frage, welche zentralen Herausforderungen bestehen, um über verschiedene Geschäftsprozesse hinweg Wissen für die Customer Experience zu generieren (Seite 35, Figure 25), zeigen deutlich das Silo-Problem auf:
Notwendige Grundlage, damit diese datengetriebenen Ökosysteme funktionieren und steuerbar werden, ist eine fundierte Analytik. Interessant ist, dass die Frage nach der Relevanz von Datenanalyse für die Qualität der Customer Experience bei den verschieden Unternehmenstypen nach Selbsteinschätzung (Leader, Explorer, Laggards) heute noch sehr unterschiedlich bewertet wird, aber in zwei Jahren bei allen nahezu die gleiche Wichtigkeit hat. Also, anders ausgedrückt, ist das Thema „Verbesserung der Customer Experience durch Advanced Analytics“ für alle Unternehmen mit einem strategischen Fokus in diese Richtung ein kurzfristig umzusetzendes (Seiten 10 und 11, Figure 2).
Und ich kann nur sagen: Es ist aus meiner Sicht als Kunde absolut nachvollziehbar. Denn wenn ich einen Schritt zurücktrete und versuche, meine persönliche Anspruchshaltung gegenüber Services und Dienstleistungen zu betrachten, dann fällt mir auf, dass diese über die letzten Jahre erheblich gestiegen sind. Und ich bin auch bereit, dafür meine Daten preiszugeben. Es ist O. K., dass der Call Agent meiner Versicherung weiß, welches Angebot ich auf der Website berechnet habe, wenn ich dann nicht alle Angaben noch mal machen muss, nur weil ich für eine kleine Info dann doch noch mal zwischendurch in meiner Customer Journey einen echten Menschen gebraucht habe.
Die Studie gibt es hier, und mich würde vor allem Ihre Meinung und auch Ihre persönliche Erfahrung mit Services Interessieren. Hinterlassen Sie gern einen Kommentar und lassen Sie uns diskutieren.