Es gibt Begriffe, die uns fest im Griff haben - Innovation und Künstliche Intelligenz (KI) zum Beispiel. Nur positives wird assoziiert. Wer innovativ ist, passt in die Gesellschaft. Der will was verändern. Der will mehr und das am besten bei gleichem Aufwand. Die KI soll helfen. Doch stopp. Ein Ich gilt als kreativ und nicht als innovativ. Die da, die Firma oder das da, das Unternehmen, sind innovativ. Dr. Christian Rammer, was hat es also auf sich mit der Innovation und KI?
„Wenn wir von Innovation sprechen, umreißen wir das Vorhaben und den Prozess des Etwas-besser-zu-machen.“ Mit wir meint er seine forschenden Kolleginnen in seinem Team am ZEW in Mannheim. Sein Forschungsbereich untersucht die Innovationsökonomik und Unternehemnsdynamik, ihm obliegt die Verantwortung dieses Bereichs. Rammer betrachtet Innovation mit der volkswirtschaftlichen Brille. Will sagen: Er untersucht den Nutzen und den Mehrwert für die Ökonomie eines Landes, die Innovation in sich birgt.
Nicht jede Innovation rechnet sich, aber ist sie deshalb nichts wert, Christian Rammer? „Jain.“ Innovation sei ein Machen, eingewickelt in ein normatives Konzept, um sie messbar werden zu lassen. Nicht bloß einfach irgendwas anders machen steht hier auf der Fahne, sondern es soll ein Mehr dabei rauskommen. Das was vorher war, soll besser werden oder etwas ganz anderes soll kommen.
Und das kann mit KI gelingen? Sie verspricht ja fast alles. Unternehmen werben sich mit KI um den Verstand. Doch einen unmittelbaren Umsatzzuwachs hat der Experte noch nicht durch den KI-Einsatz attestieren können, wohl aber eine Veränderung der Umsatzzusammensetzung. KI kann innovativere Produkte hervorbringen; sogenannte Weltmarktneuheiten haben zugenommen. Und da erzielen Firmen durchaus große Umsatzzuwächse. „KI zahlt sich aus für die, die den Usecase sehen und ihn umsetzen.“ Doch es sind nur 6 Prozent der Firmen, die das tun. Rammer schlussfolgert nüchtern: „Als Ökonom bezeichne ich diese 6 Prozent als Pioniere.“
48.000 Neueinstellungen
Vor diesem Hintergrund mag die Diskussion um bedrohte Arbeitsplätze und die Angst vor einem Abbau durch KI übertrieben erscheinen. Rammer und sein Team beobachten, dass die meisten Firmen nicht auf Rationalisierung setzen, also nicht aus Effizienzgründen Belegschaft entlassen wollen, wenn sie KI ins Visier nehmen. Mehr stünden neue Produkte, neue Angebote oder verbesserte Kundenwerte im Vordergrund. „Es geht nicht um das Ersetzen von Arbeit. Es ist die Qualität, die man versucht zu verbessern.“
Noch werden neue KI-Expertinnen eingestellt werden müssen, um durch diese dann Innovation zu generieren. Rammer hat ermittelt, dass dies 2019 um die 48.000 Einstellungen waren. „Im Wesentlichen wurde zusätzliches IT-Personal eingestellt. Die Unternehmen haben einen hohen Bedarf, sich im KI-Feld mit den richtigen Fachleuten auszustatten. Betrachten wir aber die Effekte von KI auf dem Arbeitsmarkt insgesamt, so sind diese bisher sehr gering sind.“
Doch zurück zur Angst vor Arbeitsplatzfraß durch robotische Innovationen: Sie wegzureden wäre fatal, denn sie existert. Und zu verneinen, dass Technikinnovationen keine Arbeitsplätze kosten, wäre eine Lüge. „Für manche Bereiche ist das nicht ganz abwegig“, sagt der Ökonom. Er meint damit manuelle Tätigkeiten und Dienstleistungsarbeiten beispielsweise im Finanzsektor.“ Wir müssen immer die Balance bei neuen Technologien im Auge behalten. Sie sind nie als eindimensionale Entwicklung zu begreifen. Einer eingesparten Stelle steht eine neu geschaffene anderswo gegenüber. Dem Menschen immanent ist ja, dass er sich immer wieder etwas Neues einfallen lässt“ und er beruhigt zugleich: „Eine Massenarbeitslosigkeit durch Innovation per KI wird es nicht geben.“
So entwickeln sich immer wieder neue Betätigungsfelder, in denen die Menschen wieder Arbeit finden. Das würden die Jahrhunderte der Technologieentwicklung zeigen, resumiert Rammer. „Immer hatte man Angst, dass uns die Arbeit ausgeht. Das ist aber noch nie passiert.“
Ausblick in eine Zukunft
Noch können die Unternehmen nicht, wie sie (vielleicht) gerne wollen. Es gibt in den Konzernen einige Hürden zu überwinden. Da sei ein gewisser Widerstand zu spüren, a) etablierte Prozesse umzustellen, b) auch die Mitarbeiter mitzunehmen und c) die Verantwortung zu übernehmen, wenn was schiefgeht. Hemmend wirkt die Frage nach der Regresspflicht. Das sei nicht geklärt. Da müsse man ansetzen, um Deutschland als Innovationsstandort zu halten. Und zwar nicht um seine Geschäftsmodelle rundum zu erneuern wie KI Hersteller es in ihren Werbebotschaften versprechen. Sondern um aus etwas Bestehendem etwas besseres zu machen oder um etwas Bestehendes zu nutzen, um was ganz anderes entstehen zu lassen.
Übrigens: Nicht die KI, sondern die Digitalisierung an sich stelle bestehende Geschäftsmodelle oftmals in Frage. Ein Taxiunternehmer gerät wegen Uber unter Wettbewerbsdruck. Dieser Zwang führt notwendigerweise dazu, dass ein Geschäftsmodell verändert werden muss. „Das hat aber nichts mit KI an sich zu tun.“ In den vergangenen drei Jahren haben 4 bis 5 Prozent der Unternehmen ihr Geschäftsmodell so innoviert, dass sie etwas grundlegend Neues hervorgebracht haben. Und das sei, laut Rammer, eine gesunde Quote. Mehr gehe gar nicht. Denn ein Geschäftsmodell ist ja die Grundidee eines Business. Wer die umkrempeln will, braucht einen langen Atem. Sogar und gerade wegen KI.