Aus politischer Perspektive ist Künstliche Intelligenz ein wichtiges Vehikel. Viele Ambitionen lassen sich nach Meinung von Marco-Alexander Breit mit ihr umsetzen. So die Themen Nachhaltigkeit und die so genannte neue Mobilität. Der Leiter der Stabsstelle für Künstliche Intelligenz beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sagt: „Künstliche Intelligenz kann den Umweltschutz und Nachhaltigkeit beflügeln.“
Doch die KI umweht ein noch viel weitreichenderes Lüftchen. Wie verändert sich zum Beispiel unserer Gesellschaft durch sie und was ist mit ihren ethischen Implikationen, wo bleibt der Mittelstand und wie kann er angesprochen werden? Schließlich sind die rund 3,5 Millionen KMUs der Motor Deutschlands. Darüber sprachen wir mit Marco-Alexander Breit, der eng mit dem Wirtschaftsminister Peter Altmaier an der Beantwortung all dieser Fragen arbeitet.
„Ich glaube, es gehört ein Stück Ehrlichkeit zur Debatte dazu, dass wir viele der Auswirkungen, die KI als Basistechnologie haben wird, auf unser Zusammenleben in der Gesellschaft noch gar nicht vorhersagen können. denn häufig suchen sich Technologien Anwendungsfälle, die vorher gar nicht absehbar waren.“ Nehmen wir das Handy: Nie war absehbar, welche Art von Applikationen damit einmal verbunden sein würden. Bei KI sind viele Anwendungsfälle vorstellbar, die „zum Beispiel demokratische Prozesse unterstützen oder die die demokratische Entscheidungsfindung organisieren. Das reicht über eine Verbesserung des Zusammenlebens bis hin zu Abläufen etwa im Gesundheits- und Pflegewesen.“
KI selber ist nicht ethisch. Ihr Einsatz ist es.
Doch all das sieht die Stabsstelle von Peter Altmaier stets im Zusammenhang der ehtischen Verträglichkeit. Breit redet vom Imperativ eines ethischen Umgangs mit Künstlicher Intelligenz, zumindest bei den Anwendungsfeldern, die wir schon heute kennen. Ergo: Ethisch vertretbar müssen ihre Anwendungsbreite und ihre Anwendungsfelder bleiben. Und hier sieht er sich in der Pflicht: Man müsse klug und vorausschauend handeln. Aber er will es auch nicht übertreiben. „Ich warne vor Überregulierung. Wir wissen noch nicht, welcher bunte Strauß an Möglichkeiten sich da noch entwickeln wird.“
Er will unterstreichen, dass sich niemand den Ast der Innovation, auf dem er sitzt durch zu viel Regulierung absägen möge. Das rechte Maß sei wichtig, um alle Möglichkeiten genießen zu können, die die neuen Technologien bieten. „Wenn es um Regulierung geht, bin ich sehr dafür, dass wir regulieren, was absehbar ist. Wir müssen uns die Gelegenheit der Innovation und des freien Denkens bewahren.“
Sein Plädoyer lautet deshalb. Die Debatte um Ethik und die um die Einbindung von Künstlicher Intelligenz sind untrennbar miteinander verknüpft. „Ich tue mich schwer damit, an den Anfang jeder Debatte die Sorge zu stellen. Manchmal muss man die Chancen umarmen, wenn sie sich bieten.“
Hier nun ist Platz, um von der Praxis zu sprechen. Ethik, Umsetzung, Regulierung – das alles ist Theorie. Der Mittelstand ist eine der wichtigsten unternehmerischen Gruppen, die Breit mit KI vertraut machen möchte. Hier aber scheinen doch viele Expertisen nicht vorhanden zu sein. Dazu hat seine Stabsstelle die sogenannten KI-Trainer ins Leben gerufen. Sie vereinen zwei wesentliche Kompetenzen: KI-Know-how und Kennstnis der Anwendungsfelder. „Und diese beiden Aspekte werden diese Trainer in die Breite der Wirtschaft, also auch zu den KMUs tragen.“
Sprechen die denn überhaupt die Sprache des Mittelstands, Herr Breit? Ja, das müssen sie ebenfalls leisten, sagt er. Das ist unbedingte Voraussetzung, wir müssen die Leute erreichen. „Ein mittelständischer Betrieb lebt unter anderen Bedingungen als ein großer Konzern. Da sind teilweise die Ressourcen deutlich eingeschränkter, nicht nur die personellen. Ihre Geschäftsmodelle sind zwar sehr erfolgreich, sie könnten aber schon jetzt der KI deutlich zugewandter sein.“
KI-Trainer
Die KI-Trainer schlagen hier die Brücke. Das machen sie mit sehr viel Kommunikation und indem sie Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten veranschaulichen. Die rund 3,5 Millionen KMUs müssen, so Breit, ein wesentlicher Treiber von Digitalisierung sein, damit Deutschland wettbewerbsfähig bleibe. Die KI-Trainer helfen ihnen und uns allen dabei.
„Wir merken nämlich auch jetzt im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise, dass die digitalen Unternehmen deutlich besser durch die Krise kommen, deutlich robuster aufgestellt sind und wahrscheinlich deutlich besser in die post-COVID-Zeit durchstarten. Und deswegen halte ich die Künstliche Intelligenz für einen wirklichen Gamechanger. Das Bewusstsein für KI hat in der Tat einen Boost nötig. Der Schub an Digitalisierung, den wir in den letzten Monaten auch im Licht von COVID-19 erfahren haben, ist ein kleiner Lichtblick, in diesen doch etwas trüben Zeiten der Pandemie.“
Start-up-Szene als Hoffnungsträger
Jeder weiß das: Bislang ist es Deutschland nicht besonders gut gelungen, seine klugen Ideen in tragende Geschäftsmodelle umzuwandeln. Das ändert sich zum Glück derzeit. „Wir sehen jetzt, dass im Bereich von Start-ups mit KI-Bezug wirklich starke Ideen und Anwendungen in die europäische und weltweite Wirtschaft gelangen.“
Um die Start-ups aber auch langfristig hier halten zu können, sieht Breit wichtige Rahmenbedingungen: den europäischen digitalen Binnenmarkt, ein robustes Finanzierungsregime wie Venture Capitals und ein Umarmen aller Möglichkeiten durch KI. Abwehrhaltung aus falsch verstandener Sorge um die eigenen Geschäftsmodelle sei Gift. „Die Geschäftsmodelle müssen sich ändern, die Unternehmen müssen auf Zack bleiben, dann schaffen wir auch quasi eine starke Wertschöpfung in Deutschland.“
Infrastruktur
Breit betont, dass die regierungsinternen Abstimmungsprozesse zur KI-Strategie derzeit auf Hochtouren mit erwartbar hoffnungsfrohem Ergebnis laufen, siehe Gaia-X. Insofern habe die Pandemie nicht aufgehalten. Die Rückmeldung aus der Wirtschaft würde das unterstreichen. Die Firmen wenden sich den Technologien zu und wecken damit auch Begehrlichkeiten. Und diese nähren dann natürlich auch den Ruf nach besserer Infrastruktur. Was nützt die schönste KI, wenn das Internet nicht erreichbar ist? Der Bedarf an guten Infrastrukturen werde auch durch die Anwendung gedeckt. Insofern hofft man im BMWi, dass kleine und mittlere Städte, die noch nicht die besten Infrastrukturen haben, Begehrlichkeiten haben, um in Sachen Infrastruktur zukunftsfest zu werden.