Wir sprachen mit Claudia Kleinert, der Frau von den ARD Wetternews, über die Rolle der Künstlichen Intelligenz bei ihrer Arbeit. Liebe Frau Kleinert, es war ein wirklich schönes Gespräch. Danke für diesen redaktionellen Blick hinter die Kulissen. Mögen unsere Leser'innen das nun ebenfalls so sehen. So viel vorweg: Wenn ihr einer über den Weg läuft, der vorhersagen will, wie die Hundstage oder der Winter 2020 ausfallen werden, der sei nicht ihr Kollege.
Sie ist ein Vorzeigegesicht. Als Moderatorin flimmert sie 10 Mal am Tag für jeweils drei Minuten über die Mattscheibe und das schon seit vielen Jahren. Wegzudenken ist sie nicht mehr. Sie spricht zwar "nur" vom Wetter, aber das bewegt ja alle. Kleinert hat Betriebswirtschaft studiert, nahm parallel Sprechunterricht und hatte nebenbei beim WDR als Moderatorin gearbeitet. Und dann, irgendwann und fast banal und - ja beinahe nebenbei - kam ihre Chance. Da wurde nämlich der Düsseldorfer Wetter- und Reisenkanal gegründet; sie ruft an, wird gecastet und genommen. Fertig.
Und heute? Heute verfügt sie über enormes Fachwissen und sehr viel Erfahrung in Sachen Wettervorhersagen. Das Interview mit ihr war doch irgendwie ein Muss nach dem Gespräch mit Professor Roland Potthast vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Bezieht sie doch vom DWD eine nicht zu unterschätzende Datenbasis für ihre Sendungen, von denen fünf aufgezeichnet und fünf live sind.
Klar, auch die ARD zieht diverse Vorhersagemodelle zu Rate. Die analytische Auswertung ist aber nicht alles, ein Mensch muss nochmal drüberschauen und auf Validität überprüfen. Sonst wären wir ja eine App. "Kann das denn sein, was ein Modell auswirft? “ Und das meint sie ernst. Wenn ihr einer über den Weg läuft, der vorhersagen will, wie die Hundstage oder der Winter 2020 ausfallen werden, der sei nicht ihr Kollege. Sie sagt: „Im März/April hieß es, dass das wieder ein sehr warmer und viel zu trockener Sommer werden würde. Dass die Monate eher zu warm werden, ist schon klar, aber das wird höchstwahrscheinlich auch die nächsten zehn Jahre so sein. Wichtig ist halt immer, mit was man vergleicht. Wenn sie einen Tag mit einem anderen vergleichen, ist das Schwachsinn.“
Man kann also gar nichts sehr lange im Voraus vorhersagen, Frau Kleinert? „Nein, können sie nicht oder nur sehr sehr selten. 3-Monats-Vorhersagen sind Glaskugelguckerei.“, und es sei vermessen, es überhaupt zu wollen, weil es chaotische Systeme seien. „Sie können im Grunde nicht weiter als vier oder fünf Tage nach vorne schauen. Außer, eine Wetterlage ist so eindeutig, dass alle Modelle eine bestimmte Vorhersage machen. Aber selbst dann sind Vorhersagen über gewisse Jahreszeiten oder Monate im voraus nicht möglich.“
Wäre Künstliche Intelligenz eine Hilfe bei dem ganzen?
Wäre sie. Die könnte beispielsweise helfen, Tiefs ausfindig zu machen, die genau dieselben Daten aufweisen wie ein vorheriges. KI könnte Wahrscheinlichkeiten erfassen, wohin das dann zieht, aber: „das hilft mir auch nicht wirklich. Denn es gibt mir bloß die Wahrscheinlichkeit an, wohin das Tief ziehen könnte. Das ist wie weiße Weihnacht im Juni vorhersagen zu wollen. Wenn ich eine Wahrscheinlichkeit von, sagen wir 20 Prozent, errechne, ist die Aussage einfach nur die, dass weiße Weihnachten sehr selten ist. Aber ich sage jetzt mal ganz frech, Weihnachten 2020 wird trocken sein und ziemlich grün und eher zu warm. Und damit liege ich wahrscheinlich sogar richtig. Es kann aber auch sein, dass ich völlig daneben liege, aber sie werden sich nicht dran erinnern, was ich gesagt habe. Wahrscheinlich erinnert sich niemand mehr dran, und deswegen kommt dann so viel Murks zustande.“
Kleinert findet übrigens wie Potthast, dass Künstliche Intelligenz dem Vorhersagen des Wetters durchaus einen wichtigen Dienst erweisen kann. Doch bevor sie da ins Schwärmen kommt, verweist sie doch viel lieber nochmals auf die große Bedeutung von wirklich guten Modellen. Die sollten mit möglichst vielen Parametern und ihren Abweichungen sowie vielen Wetterstationen rechnen können.
Heute arbeitet Kleinert täglich auf Hochtouren
Zum Schluss gefragt: Macht Ihnen Ihr Beruf Spaß? „Nein, das ist viel mehr als das. Ich liebe und lebe für meinen Beruf. Wäre ich nicht mit ganzem Herzblut dabei, würde ich das nicht schon so viele Jahre machen. Wir machen eine Sendung nach der anderen. Zwischen 16.45 und 18.30 weiß ich nicht, wie ich heiße. Und diese Herausforderung liebe ich.“
Ihr gefällt die Aktualität. Sie hat keinen Teleprompter oder sonst einen vorbereiteten Text. Sie stellt sich vor die Kamera und sagt, was sie sich überlegt hat. Und wenn die Kollegen ihr noch 20 Sekunden vor der Sendung etwas zuwerfen, nimmt sie das spontan mit rein. Sie ist während einer Sendung ganz allein im Raum. Da gibt es niemanden, der ihr auf die Finger schaut. Nur die aktuellen Wettermeldungen, Radar oder das Satellitenbild: Die hat sie immer im Blick. „Und das gefällt mir sehr.“
Bei aller Kurzfristigkeit bei Ihren Sendungen, was sagt Kleinert zur langfristigen Entwicklung des Wetters? „Es wird wärmer. Und hohe Temperaturen bedeuten Hitzebelastung, oft mehr Starkregen. Insgesamt nimmt das extreme Wetter zu." Werden dann auch die Hurrikans häufiger? Nicht unbedingt, aber sie werden stärker: die Auswirkungen wie sintflutartige Regenfälle werden extremer.
Das Gesicht der ARD Wetternews hat, wie gesagt, BWL studiert. Sie ließ sich meteorologisch ausbilden und belegte dann doch noch ein paar Semester Meteorologie. „Aber das Studium brachte mir für diesen Job eigentlich gar nichts. Das Hintergrundwissen habe ich mir angelesen und wir hatten damals Kollegen, die uns beigebracht haben, worauf es in der Prognoseerstellung und Beurteilung von Wetterdaten ankommt.“