Wer einen Schnellkurs in Unternehmensführung braucht, sollte sich mit Wolfgang Grupp unterhalten. Der Trigema-Inhaber ist von der alten Schule - zumindest was die Höflichkeitsetikette betrifft. Aber was Unternehmensführung angeht, ist er moderner als manch junges Start-up-Unternehmen. Grupp propagiert Flexibilität und Schnelligkeit. Er könne sein Geschäft an jede neue Situation anpassen, siehe spontane Anfertigung von Hundertausenden Mund-Nase-Bedeckungen als der Lockdown die globalen Lieferketten lahmgelegt hatte. Hört sich an wie Blablabla? Weit gefehlt!
Was will man denn eigentlich wissen von Wolfgang Grupp, wenn man um ein Gespräch bei ihm anfragt? Zum Beispiel, ob sich bei einer Krise nicht bewahrheitet, dass die Produktion in Deutschland der sicherere Pfad sei, den ein Fabrikant einschlagen sollte?
Und was man zu hören kriegt, ist erstaunlich. „Made in Germany bedeutet für mich, Arbeitsplätze zwar in Deutschand zu erhalten, aber nicht für eine Massenproduktion. Dazu sind wir nicht in der Lage, weil unsere Löhne zu hoch sind. Das macht der Kollege in China billiger.“ Und weil Trigema eben keine Massenware näht, verhält es sich in seinen Werken wie folgt: „Wir machen innovative Artikel. Das heißt, wir produzieren Qualität und stehen für Schnelligkeit. Wenn Sie mir zum Beispiel heute sagen, sie bräuchten morgen 1.000 Polohemden, dann bekommen sie diese. Wer von Trigema unbedingt etwas braucht, bekommt das auch, allerdings zum Preis „Made in Germany“.
Trigema Online-Shop: über 100.000 Neukunden dazu
Und damit wären wir bei den Masken gelandet; und lernen wie Unternehmertum in Burladingen funktioniert. Wolfgang Grupp hatte 2,3 Millionen Aufträge bekommen. „Und die Masken habe ich ja nur produzieren können, weil ich in der Lage war, sozusagen in 24 Stunden von Polohemd auf Maske umzuschalten. So flexibel kann sich heute keiner mehr an neue Gegebenheiten anpassen. Weil da die Produktion in der ganzen Welt stattfindet.“
Grupp schon und hier der Beweis für den Erfolg seiner Strategie. Made-in-Germany propagiere er ja schon seit 50 Jahren. Und diese Corona-Geschichte habe das plötzlich nochmal ins Rampenlicht gerückt. Für seinen, wie er das nennt, ohnehin sehr starken Online-shop hätten sich in dieser Zeit mehr als 100.000 Neukunden begeistert. „Klar, die wollten alle Masken. Wir konnten diese schneller produzieren, weil wir von den Lieferketten unabhängig sind.“
Er rechnet natürlich damit, dass vielleicht 30.000 seiner neuen Kunden wieder abwandern. Denn die Masken kommen nun wieder von International. Aber wenn 70.000 blieben, sei er zufrieden. Und dann erzählt er eine Anekdote: Als die Globalisierung von heute auf morgen wieder anlief, brach die Nachfrage natürlich abrupt ab. Es folgten auch Stornierungen, für die man Verständnis haben musste. So konnte Trigema auch schneller auf die normale Produktion umschalten.“ Große deutsche Automobilkonzerne oder auch Landesregierungen seien plötzlich ganz nervös geworden. Die wollten wohl nicht auf Kosten sitzen bleiben. Und, Herr Grupp, haben Sie ihnen den Wunsch erfüllt? „Ja, selbstverständlich haben wir das,“ sagt er mit einem Hauch an Spitzbübigkeit in der Stimme. Und er hat uns damit irgendwie ganz unmerklich eine äußerst interessante Fragen beantwortet, die wir nicht mal stellen mussten: Herr Grupp, hat der Handel wirklich so unter der Krise gelitten wie allüberall behauptet wird?
Ist der Mann jetzt einfach nur nett oder was ist er?
Ja, er ist ein Sympath durch und durch, mit einem ausgezeichneten Sinn für Ironie. Ein Sozialsäusler, wie er das nennt, sei er aber nicht. Und darauf legt er großen Wert. Er ist – wie gesagt – ein Mann der alten Schule, was die Höflichkeitsetikette angeht. Punkt erst mal. Und was ist er noch? Er ist ein Unternehmer, Fabrikant. So hat er eines immer im Auge: Die Firma muss gut dastehen, sonst habe er versagt.
Er ist in die Familie hineingeboren, genießt tolle Vorteile. Er fühlt sich moralisch verpflichtet, dieses Erbe zu erhalten. „Ich kann ja nicht alles aufessen oder kaputtmachen. Das ist meine Pflicht, den nachfolgenden Generationen gegenüber - Reichtum verpflichtet!“ Und diese Verpflichtung zieht sich durch alle Ebenen bei Trigema. Geht es um Automatisierung oder Digiatlisierung, Grupp probiert alles aus. Wenn es Sinn macht, führt er es ein. Macht es keinen Sinn, lässt er es sein. Seinen Ansatz vergleicht er mit einem schönen Ballkleid. „Wenn Sie ein tolles Kleid haben und wissen, es gibt kein tolleres, dann sind Sie ja zufrieden. Wenn Sie aber abends sehen, dass da ein noch tolleres ist, dann ärgern Sie sich.“ Und so hält er es auch mit seiner Firma: Gibt es etwas, das sie besser macht, ist er der erste, der das einführt – aber mit Sinn und Verstand.
Er wollte zum Beispiel zweimal wissen, was sich automatisieren ließe in der Produktion von seiner Maschenware. KUKA musste vorstellig werden. Man besah sich die elastischen Produkte Polohemden et al. und kam zu dem Schluss: keine Chance. „Wenn KUKA sagt, es geht nicht, dann bin ich beruhigt, dann können es auch andere nicht.“ Aber wenn es funktioniert, handelt Grupp nach der Devise: Dann will ich der erste sein, der die Innovation einführt.
Zum Schluss noch eine Frage, Herr Grupp: Woher bekommen Sie Ihre Stoffe? „Die machen wir selbstverständlich alle vor Ort selbst. Unsere Lieferanten sind die Spinnereien, die die Baumwolle zu Garn spinnen. Aus diesem Faden werden bei uns die Stoffe gestrickt. Das Garn kommt zu uns als Rohware und verlässt als fertiges Produkt unser Haus. Wir rüsten die Stoffe in unserer Färberei und Bleicherei selber aus. Und unsere Druckerei und Stickerei veredelt sie dann weiter, inklusive der sehr aufwändigen Konfektion.“ Und Trigema vertreibt seine Produkte sogar zu 80 Prozent selber.
"Wir haben den Wandel der Zeit immer konstant mitgemacht, ich habe dreimal meine Kunden ausgetauscht. Nun haben wir eine bedarfsgedeckte Wirtschaft. Keiner muss mehr frieren, alle haben genügend Kleider im Schrank. Bei den Frauen geht der Schrank dann nicht mehr zu und bei Männern ist der Bedarf auch gut gedeckt. Ich habe als Unternehmer nur eine Chance, etwas zu verkaufen. Nämlich dann, wenn die Leute genügend Geld haben, etwas zu kaufen, was Sie im Prinzip gar nicht brauchen. Und in einer solchen bedarfsgedeckten Wirtschaft muss ich am Schluss erkennen, dass ich auch die Handelsfunktion mit übernehmen muss. Sonst funktioniert das nicht." Bekäme der oder die einen Arbeitsplatz bei Ihnen, wenn sie nähen kann? Aber natürlich, Sie bekommen jederzeit einen Arbeitsplatz bei uns! Ist Wolfgang Grupp jetzt nett? Abschließend möchte man sagen, ja, er ist sehr nett und Geschäftsmann. Überlassen wir ihm das Schlusswort:
„Sie führen jetzt mit mir auch kein Interview, damit ich mal ins Rampenlicht komme, sondern Sie führen das Interview, weil Sie damit meinen, Ihren Blog positiv zu belegen. Und wenn Sie wüssten, dass, wenn ich mit dem Grupp ein Gespräch führe und das in meinen Blog bringe, aber keiner würde zuhören, dann würden Sie mit mir auch kein Gespräch führen. Sie sind also, auch wenn ich das jetzt übertrieben sage, auch egoistisch. Also. Und so ähnlich dürfen Sie mich einschätzen.“
Dennoch wir bleiben dabei, Wolfang Grupp ist ein Sympath durch und durch. Herzlichen Dank für dieses nette und sehr ehrliche Gespräch, Herr Grupp!