Erfolg dem Zufall zu überlassen, ist grob fahrlässig. Erfolg kann planbar sein. Wer seine individuelle Erfolgsformel kennt, braucht sich keine Sorgen mehr zu machen. Derjenige kann getrost ein Start-up gründen oder seinen Job kündigen und vieles auf den Kopf stellen. Zur Ermittlung dieser Formel ist wenig erforderlich: Künstliche Intelligenz und etwas Text sind die Zutaten bei diesem Rezept. Verquirle beides gut miteinander, warte 24 Stunden und es offenbart sich dir dein persönliches Netz an Kodependenzen, die du seit Anbeginn deines Lebens unbewusst geknüpft hast, und die dich von vielem abgehalten und zu vielem getragen haben.
Das ist natürlich alles Spinnerei. Das hieße ja, dass ich und nur ich, also du und nur du, für alles selbst verantwortlich seist. Kann das sein? Laut eigener Betrachtung der Lage natürlich nicht. Doch ganz von der Hand zu weisen ist der Gedanke dennoch nicht. Steffen Konrath, Gründer von evAI, versucht zumindest den Erfolgsformeln seiner Kunden näher zu kommen und nimmt dafür die KI zur Hilfe. Er errechnet seit fast drei Jahren (jetzt ist Juli 2020) recht nüchtern und auf Basis von allerlei öffentlich zugänglichen Daten deren Business-Erfolgsstrukturen algorithmisch. Zu seine Kunden zählen Startups oder auch fest etablierte Corporates. Denen analysiert er ihre Märkte, ihre Wettbewerbsverhältnisse, ihre Marktanteile, ihre Lobbying-Strukturen und dergleichen mehr.
Seinem Unternehmen hat er einen charismatischen Namen verpasst: evAI. Und der erinnert bloß zufällig an die alttestamentlich Eva. Dennoch ein schönes Gedankenspiel: Wessen sich Eva im Moment gewahr worden war als sie vom Baum der Erkenntnis gekostet hatte, sieht Steffen in genau dem Moment, wenn er seine AI-Algorithmen lange genug über allerlei im Internet frei verfügbare Texte laufen lässt, i.d.R. nach 24 Stunden. Zugegeben, Eva war schneller, doch bezieht man die lange Zeit mit ein, die die Eva mit dem Adam träumend und sich ihrer Welt da draußen unbewusst durch das Paradies wandelte, ist der Steffen mit seinen 24 Stunden gar nicht so schlecht.
Steffen wertet Texte und Erwähnungen zur Kontextanalyse seiner Auftraggeberinnen und Kunden aus. „Es reicht nicht, bloß zu wissen, wie oft Firma A im Vergleich zu B gezählt wurde in Zeitraum I. Wenn du den Kontext nicht ermittelst, ist die Zählung nichts wert.“
Was man normalerweise nur über sehr aufwendige Marktforschung oder investigativen Journalismus herausfinden kann, sieht evAI viel schneller. „Ich habe eigentlich plötzlich alles zur Hand, ich muss es eben nur auswerten können. Die derzeit zur Verfügung stehenden Marken- oder Monitoring-Tools, aber auch die Social-Listening-Tools versagen in einem: Die können dir zwar Häufigkeiten auszählen, aber die können dir den Kontext von Informationen nicht geben. Und Kontext ist eigentlich das, was darüber entscheidet, wie du das zu interpretieren hast, was du siehst. Und das ist glücksentscheidend.“
Der so genannte Share-of-Voice mag bei manchen Zählungen für eine Firma sehr hoch sein, doch ohne Kontext ist die Metrik wertlos. Wenn sich herausstellt, dass 80 Prozent der zugrundeliegenden Dokumente nur Börsenberichte sind, ist das nutzlos, außer für Investoren natürlich. Stellt sich aber in der Kontextbetrachtung heraus, dass Unternehmen Z in Marketing-Umfeldern auftauchen oder dass sie im Umfeld von Use Cases gezeigt werden, die wiederum Rückschlüsse auf Industrien zulassen, in der die Firma aktiv ist, dann ist das ein Kontext, der viel nachhaltiger ist. Und das herauszufinden, dauert bei evAI rund 24 Stunden je nach Datensatz.
Er redet nun davon, herauszufinden, was hinter den Dingen steckt. Er spricht von dem, was Marketingsprache ist und was die Realität ist. Es habe ihn schon immer interessiert, ob es Hinweise auf die Wahrheit in den Dingen gibt, die man beobachtet. Und aus dieser Motivation heraus begann er damals, sich Nachrichten anzusehen, wie sie sich verbreiten und welche Netzwerke dahinter versteckt sind.
Und so kam er zur wichtigsten Frage: Warum geht es für manche Start-ups weiter und für manche nicht? Und seine Analysen ergaben, dass unsichtbare Netzwerke wie eine Lobby sind, die man ohne AI überhaupt nie erkennen würde. Er nennt dann politische Beispiele wie die Unruhen in London oder Ägypten oder auch das Beispiel Fukushima. Er entdeckte Strukturen, die miteinander in Verbindung standen, von denen man gar nichts wusste, die rein über Analyse der Informationslandschaft sichtbar wurden.
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Dazu baute er sich eine Verteilungsplattform für Informationen, den Liquid Newsroom. Da hat er einfach Informationen rein gegeben und beobachtet, wohin sie getragen werden und wann sie stoppen.
Irgendwann landete er bei Twitter über eine Schnittstelle. „Ich habe mir mal angeschaut wie Kommunikation dort stattfindet. Wer mit wem redet, wer über wen redet, wie alle dort miteinander verbunden sind, welche Untertöne und Unterthemen es da gibt. Dann habe ich Social-Graph-Modelle entwickelt und konnte die Interaktionen aller visualisieren. Daraus ergab sich eine Art Spinnennetz. Das hat mir die Augen geöffnet wie Themenmärkte tatsächlich funktionieren.“
Alle Themen hätten wiederum Unterthemen gebildet, die ihre eigene Community bildeten. Und daraus konnte er erkennen, welche Untergruppierungen abgeschlossen waren und welche noch offen. Und dann habe er wie Eva eine Erkenntnis erlitten. Nämlich zum ersten Mal verstanden, warum betriebswirtschaftlich Penetration eines Marktes mal ins Stocken gerät und warum nicht. Warum es für manche Firmen weiter geht und für andere nicht. Erst die Visualisierung von Kommunikation erlaubt, diese Communities zu sehen. Und das bieten wir unseren Kunden als Dienstleistung an. Innerhalb weniger Stunden können wir mit AI Marktstrukturen und Lobby-Strukturen offenbaren.“
Steffen und sein Partner konzentrieren sich auf Firmen und deren Märkte, nicht auf private Strukturen. Auch Detekteien oder Geheimdienst könnten an seiner Dienstleistung interessiert sein. Doch er fokussiert sich lieber auf die Glücksstrukturen im Business. Wer eine tolle Idee hat, sollte unbedingt bei Steffen anklopfen und sich eine Marktanalyse machen lassen, um sich vorher seine Glücksstruktur ermitteln zu lassen.
Und er nimmt jede Information zur Hand, die er finden kann. So auch Stellenanzeigen. „Die sind sehr dankbar“, weiß er zu berichten. „Die sagen was über die wirtschaftliche Zuverlässigkeit von Unternehmen aus und auch über die Strategieentwicklung einer Firma. Ist mir diese oder jene Firma aus meinem Markt wirklich ein Wettbewerber oder ist die in zwei drei Jahren weg vom Fenster?“ Und man erfährt auch viel über die inhaltliche Ausrichtung und das Investitionsverhalten einer Firma durch eben diese Analyse von Stellenanzeigen.
Vielen Dank für das Gespräch!