Dr. Thorsten Pötter ist nicht nur Chief Digital Officer bei Samson, sondern auch Beiratsmitglied im Verein AI Frankfurt Rhein-Main e.V.. Wir erinnern uns: Der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann hatte vor rund einem Jahr einen Impuls, eine KI-Initiative ins Leben zu rufen. Mit dem Ziel, aus ihr einen Verein werden zu lassen, sie also zu institutionalisieren. Sein Büro ließ uns wissen, was sich Feldmann dabei gedacht hat: „Wie immer bei neuen Technologien, haben die Bürger Schwierigkeiten, sich vorszustellen, was in diesem Fall Künstliche Intelligenz eigentlich ist. Manchen macht das Angst. Der Verein will Wissen erarbeiten und teilen. Nur mit Transparenz wird man die Menschen neugierig machen“, sagt Stefan Jäger als Referent im Büro des Oberbürgermeisters und ehrenamtlicher Vorstand des Vereins. Und dabei will ihm Dr. Thorsten Pötter helfen.
Eine interessante Kombination. Denn Pötter steht für die Samson AG, die in Deutschland 2.000 Mitarbeiterinnen zählt und in über 40 Ländern vertreten ist. Und Samson produziert, kurz gesagt, Stellungsregler und Ventile aller Art für die Prozessindustrie. (Fast) Jeder braucht die Ventile von Samson, um den Flüssigkeitsstrom in den Rohren zu steuern. Und genau das ist der Grund, warum Samson im Beirat des AI Frankfurt Rhein-Main Vereins von Peter Feldmann sitzt: „Ob ich nun von Flüssigkeitsströmen oder Datenströmen spreche, tut nichts zur Sache", findet der promovierte Chemiker Pötter. "Geregelt werden muss bei beiden Kreisläufen.“
Und so ist einleuchtend, warum er ein geeigneter Kandidat ist, um dabei zu helfen, Feldmann’s AI-Visionen in die Tat umzusetzen. Denn er weiß, wo AI helfen kann und wo nicht, und er findet, dass sich dies mit Ventilen hervorragend erklären lasse. „Wir können natürlich noch bessere Ventile bauen, um Flüssigkeiten zu steuern. Oder aber wir gehen auch ergänzend einen anderen Weg: Wir ermitteln mit KI, wo unsere Kunden ansetzen können, um die gesamte Anlage effektiv zu steuern.“
Das ist hier kein Crash-Kurs in Pumpentechnik. Es ist aber ein Crash-Kurs im anders Denken. Mit AI erreiche die Wertschöpfung, so Pötter, ein ganz neues Level. Denn viele Stakeholder sind beim Thema KI involviert. Wer sich um KI kümmert, muss aus seinem Silodenken raus. Singularität war gestern. Muss man aber deswegen gleich einen Verein gründen? Ja, das müsse man, findet er. Aus zwei Gründen: Erstens ist KI auch eine Frage der Politik und zweitens braucht das Thema Aufklärung im Markt. Und dem Markt gehört auch Lieschen Müller an.
Für beide Dimensionen habe SAMSON die Kompetenz im Haus. „Und in diesem Sinne können wir was einbringen. Aber wir sind auch davon überzeugt, dass dieses Thema noch so viele Facetten hat, die man eigentlich nur in einer größeren Gemeinschaft lösen kann.“ Das erinnert uns an die Flüssigkeitskreisläufe in der Prozessindustrie, die zwar Ventile zur Regulierung brauchen, aber zum Beispiel auch Pumpen. Und erst das abgestimmte Zusammenspiel von Ventil und Pumpe bringt die Lösung für den Kunden; beides muss im Sinne der Kunden gemeinsam betrachtet werden. „Wenn man das mit KI lösen will, brauchen wir möglichst alle an Bord.“
Und mit Gemeinschaft meint der Chemiker wirklich alle: Wirtschaft und Politik. Die Bedeutung von Politik und den Kommunen in dem Umfeld sei gewaltig. Er findet, dass wir eine digitale Aufklärung brauchen. Deutschland geht an vielen Stellen sehr ängstlich mit AI und Digitalisierung um. Er will mehr die Möglichkeiten und weniger das Angstthema darin sehen. „Da kann Politik helfen. Das sollte aber meines Erachtens über den monetären Aspekt wie Fördermittel hinausgehen.“ Die Politik möge Einfluss drauf nehmen, wie solche Technologien zum Nutzen aller angewendet werden können. „Natürlich, jede Nutzung hat ihre Kehrseite. Das muss man eben halt auch sehen. Aber meine geforderte Aufklärung geht in die Richtung, dass Vorteile und Risiken ausbalanciert werden.“
Und in dieser Beziehung sind ihm Politiker manchmal etwas zurückhaltend unterwegs. Das mag auch daran liegen, dass unsere Exekutive gar nicht weiß, was KI genau ist. Zuerst also Politiker aufklären. Und auch diesen Teil will Samson in Form von Dr. Thorsten Pötter im Beirat des AI Vereins von Peter Feldmann, dem Oberbürgermeister (Stand Mai 2020) von Frankfurt am Main unterstützen.
Aber ist das wichtigste Agens in diesem Aufklärungstreiben nicht dann doch die Industrie? Da scheint doch das Know-how zu liegen. Und ist der Politiker aufgeklärt, kann der sodann sein Volk aufklären. „Na, das ist klassisches Industriedenken“, kontert er widerwillig. Warum? „Ich glaube, wir haben ein gesellschaftliches Thema. Die Industrie ist ein Player von vielen. Pötter setzt lieber auf den mündigen Bürger. Und vergleicht die digitale Aufklärung doch tatsächlich mit der sexuellen Aufklärung von damals.
„Ich bleibe immer sehr gerne in dieser Analogie. Das hatte ja auch nicht die Industrie für die Gesellschaft gemacht. Diese Aufklärung kam aus den Menschen selbst heraus. Irgendwann haben wir gelernt, dass vom Küssen Keine schwanger wird. Und so muss es auch mit all den digitalen Diensten und Elementen gehen. AI muss zur Selbstaufklärung taugen, gemeinsam mit Industrie und Politik. Aber nie originär.“
Der Chemiker ist also überzeugt. Wir müssen uns selbst aufschlauen. Leichter gesagt als getan. Hat aber auch was demokratisches an sich. Politik und Wirtschaft kommen seiner Meinung dann ins Spiel, wenn die Balance zwischen Chancen und Risiken herzustellen ist. Und wie machen beide das dann, Herr Pötter? „Über die unterschiedlichen Anwendungsszenarien, Use-Cases.“
Und so sehe er auch seine Rolle als Beiratsmitglied in Feldmann’s Verein. Das macht er vornehmlich mit Beispielen. Gerne verweise er dahin, wo Künstliche Intelligenz schon längstens im Einsatz ist. Der Verfechter von Fakten will Erdung erreichen. Er will zeigen, wo sich diese neuen Technologien während der vergangenen zehn Jahre unbemerkt etabliert haben. Eine Form von Versachlichung eines emotional aufgeladenen Themas. Und am allerliebsten wäre es ihm sogar, aus dieser KI eine juristische Person werden zu lassen. Damit könne man der Ethikdiskussion eine eindeutigere Richtung verpassen.
„Ich gebe zu, meine Meinung dazu ist an einigen Stellen durchaus radikal.“ Und wieder greift er zu einem Beispiel. Und wieder ist es eines aus der Geschichte. Dieses Mal aber nicht die sexuelle Aufklärung, sondern die industrielle Revolution. Revolution ist immer gut, um ein anderes Denken zu evozieren: „Da wurden ja irgendwann auch Firmen als juristische Personen definiert und Haftbarkeitsgrenzen eingeführt. Denkbar, dass wir mit der Künstlichen Intelligenz auch so verfahren. Denkbar, dass wir möglicherweise eine dritte juristische Person brauchen werden oder eine Entität, die Künstliche Intelligenz heißt.“
Visionen von Gerichtsbarkeit
Und dann, Herr Pötter, wie wollen wir denn selbstfahrende Autos sanktionieren? „Durch Wertverlust. Das Auto wird gelöscht oder sein Speicher reduziert. Der Mann ist ein kritischer Zeitgenosse. Seine Ehrlichkeit macht ihn so sympathisch. Deshalb fragen wir zum Schluss: Sagen Sie mal, muss denn wirklich jedes Unternehmen KI mitmachen oder könnte man nicht mal ehrlicherweise sagen: <Nein, also wir brauchen keine KI, uns reicht das, was wir haben.>
„Nein, muss nicht jeder mitmachen. Vor gar nicht allzu langer Zeit haben wir mal die vierte industrielle Revolution und die Digitalisierung durchs Dorf getrieben, und jetzt machen wir es mit der Künstlichen Intelligenz. Aber, wenn wir mal genau hinsehen, dann gehen all diese Themen in dieselbe Richtung, nämlich Prozesse zu standardisieren, um Fehler zu minimieren. Und wahrscheinlich reicht vielen Unternehmen eine ordentliche Analytics-Engine um Mehrwerte aus Daten zu schaffen.“
Wir freuen uns sehr, dass Sie mitmachen beim AI Frankfurt Rhein-Main Verein von Peter Feldmann & vielen Dank für das Gespräch, Dr. Thorsten Pötter CDO Samson AG.