Die Handelsbranche. Social Dinstancing, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Kundenängste. Wie geht es jetzt weiter für die Symbole deutschen Wohlstands, ist die Handelsbranche verschnupft? Um das zu beantworten, sollten wir vorne und nicht hinten anfangen. Der IT-Fachkräftemangel im Handel ist so ein Vorne. Und einer, der uns hier Auskunft geben könnte ist Ulrich Spaan. Er ist beim EHI Retail Institute für die Forschungsbereiche IT- und E-Commerce auf Geschäftsleitungsebene verantwortlich. Und ausgerechnet jetzt, am schmalen Ende der Einschränkungen, wo sich diverse Lockerungen hoffnungsvoll auftun, gerade jetzt zeige sich doch tatsächlich, dass sich der Mangel an Fachkräften in eine Art ausgeglichenes Angebot verwandelt.
Aber nicht, weil Universitäten urplötzlich erkannt hätten, Ausbildungswege zu offerieren, die den Markt bedienten. Ach was. Viel hat sich da (noch) gar nicht geändert. Es liege daran, weil jetzt Fachpersonal gezwungen sei, ihre alten Arbeitsplätze zu verlassen und auf ihrem Weg zu neuen Ufern den Arbeitsmarkt mit ihrem Dasein beglücken würden, so Spaan. Arbeitgeber, die sonst verzweifelt nach der Richtigen gesucht haben, erfreuen sich jetzt an einem sprunghaft guten Angebot an denen, die nicht da gewesen schienen.
Ach du Schreck, nun schieben Unternehmen doch nicht etwa einen Virus vor? „Also nicht, dass ich davon wüsste.“ Dennoch gibt es diese Entspannung am Arbeitsmarkt, auf dem sich Leute tummeln mit einem hohen digitalen Verständnis, mit digitaler Affinität. „Die Spezialisten, die brauchen wir gar nicht so sehr, sondern solche mit Technologieverständnis und Management-Skills gleichzeitig.“
Der viel beschworene Data Scientist bleibe also weiterhin sehr wichtig. Das sind natürlich alles nur Spekulationen: „In der aktuellen Situation ist es schwer, das rational zu beantworten. Also, ich glaube, viele der Themen, die jetzt mal gerade weniger aktuell sind, die kommen ja auch wieder. Die sind nicht weniger spannend geworden.“
Wir müssen also bloß das Tal der Stille überstehen, Herr Spaan? „Viele haben gerade andere Probleme als sich mit Technologien zu beschäftigen.“ Es zeige sich aber, dass diejenigen, die schon gut durchdigitalisiert sind, es jetzt leichter hätten. Spaan rechnet demzufolge fest damit, dass die Digitalisierung weiter an Fahrt aufnimmt. Und wie gesagt, das Fachpersonal scheint ja nun da zu sein. Schließt sich daran auch die Künstliche Intelligenz an oder ist die für den Handel gar nicht die wichtigste Ausprägung von Digitalisierung, Herr Spaan? Hier hat er eine klare Sicht auf die Dinge. Künstliche Intelligenz werde sich vor allen Dingen im Analytics-Umfeld weiter etablieren.
Wenn man bedenkt, dass das vor Corona das wichtigste Thema war, so werde das die Branche auch bald wieder beeinflussen. Ob sich nun vielleicht zeigt, dass Robotik dem Hobby des Konsumierens vieler unter die Arme hätte greifen können, spielt für Spaan keine entscheindende Rolle. Er denkt da eher an die Nachschubprozesse als solche, Stichwort Toilettenpapier.
Aber was passiert jetzt?
Die Sache mit dem Papier war für die Handelsbranche eine Offenbarung. „Wenn die KI schon weiter wäre, dann wären die Unternehmen vielleicht sehr viel schneller in der Lage gewesen, gewisse Nachschub- und Logistikprozesse in dieser Pandemie umzustellen. Oder ja, wenn wir jetzt Geschäfte hätten, die IoT tatsächlich in jeglicher Form bereits umgesetzt hätten, dann wären Läden vollkommen automatisiert, es wäre kaum noch Personal drin und die Eingangsregelungen würden auch automatisiert sein. Die Lockerungen wären möglicherweise weniger problematisch als jetzt.“
Welche Konsequenzen ziehen die Händler denn jetzt aus dem ganzen? Und nun nehmen wir einen felsenfestsicheren Spaan wahr. Er glaubt zu wissen, dass eben besagte Supply-Chain-Prozesse weiter gedacht werden - vor allem mit KI. Was die einzelnen Stores betrifft, da ist er sich sogar noch sicherer. Ist die Schockstarre vorüber und haben sich die Abläufe dann wieder entstört, werden auch die neuen Regelungen der Hygienemaßnahmen mittels Technologie umgesetzt, um die Zugänge und Austritte zu steuern. Besucher werden womöglich schon zu Hause per Smartphone informiert, wann sie in den Laden können.
Beispiel für eine tolle Planungsapp wäre Start-up Appointrix
„Märkte könnten über eine eigene Tracing-App per Gesichtserkennung ihren eingeloggten Kunden diesen Service anbieten. Dann könnte man das ganze mit einem schönen KI-Algorithmus sogar noch intelligenter regeln, um die Wartezeit für jeden einzelnen zu prognostizieren.“ Unausweichlich? Es bleibt abzuwarten.
Welches Fazit geben Sie uns mit auf den Weg, Herr Spaan? Wir haben den Eindruck, als könne niemand gerade etwas prognostizieren, trotz der ganze Technologien, die wir schon haben: „Wie gesagt, wir sind in einer Zeit, da es momentan sehr unsicher geworden ist, Dinge vorauszusagen, weil wir alle vor völlig neuen Situationen stehen. Wir wissen nicht, wie Kunden reagieren.“
Danke Ulrich Spaan!
Ich würde nicht infrage stellen, dass der Einsatz von Technologie wichtig ist. Ganz im Gegenteil. Ich glaube, man erkennt in solchen Situationen umso mehr, wie wichtig es ist, dass man auf mehreren Füßen steht und dass man sein Unternehmen sauber digitalisiert hat.