Auch, weil Ministerinnenherzen für neue Technologien schlagen, investiert das Land Baden-Württemberg über eine Milliarde Euro in Digitalisierungsvorhaben. Diesen leidenschaftlichen Eindruck zumindest vermittelt uns Theresia Bauer, als wir mit ihr über neue Technologien sprechen und darüber, wie sie diese für das Land zu nutzen gedenke. Besonders Künstliche Intelligenz (KI) sei für die Wissenschaftsministerin ein wesentlicher Bestandteil dieser neuen Technologien. KI ermögliche eine ganz andere Nutzung der Digitalisierung. Gerade für Baden-Württemberg als starker Wissenschafts- und Kulturstandort biete KI ihrer Meinung nach enormes Potenzial.
Frau Bauer, auf welchen Zeitraum bezieht sich diese 1 Milliarde Euro denn? „Digitalisierung ist ein Querschnittsthema und daher mittlerweile für alle Ressorts relevant. Wenn wir alle Investitionen in dieser Legislaturperiode überschlagen, haben wir über alle Ressortgrenzen hinweg diese Summe in Digitalisierung investiert. Dazu gehört auch die KI.“
Egal, ob nun geschätzt, überschlagen oder konkretisiert. Die Botschaft dieser 1 Milliarde Euro bleibt: Nicht nur das Wissenschaftsressort will KI für sich nutzen, sondern viele andere der Baden-Württembergischen Ressortministerien auch. Und das ist ja das eigentlich gute Signal. Denn Viele fordern viel von der Politik, die – wie wir sehen dürfen - bereit ist für KI.
Und die Wirtschaft freut's.
Denn die sieht in Sachen KI auch die Politik in der Verantwortung. Ihr komme, so Dr. Thorsten Pötter, Chief Digital Officer bei Samson, eine edukative und Rahmen gebende Funktion zu: „Die Bedeutung von Kommunen und von der Politik in Sachen KI ist gewaltig.“ Der Chemiker ist bei Samson für die Digitale Transformation verantwortlich. Er sagt, wir bräuchten eine digitale Aufklärung – "und dabei helfen auch Vereine und Netzwerke. Wir gehen in Deutschland an vielen Stellen viel zu ängstlich damit um, und an anderen viel zu offen, weil es die meisten vermutlich nicht besser wissen.“ Politik habe die Rolle, das zu ändern.
Mit diesem Urteil ist er nicht allein. Viele erleben einen gesellschaftlichen Umbruch durch den Einsatz der Verfahren von Künstlicher Intelligenz und proklamieren mehr gesellschaftspolitisches Engagement und alle beschwören derweil das Netzwerken. Und diesem von Pötter legislativ-direktionalem Impuls sind sich Theresia Bauer und viele ihrer Kolleginnen und Kollegen in der Politik bewusst. So hat die Stadt Frankfurt eigens einen Verein für Künstliche Intelligenz ins Leben gerufen. Ein Netzwerk, das Wirtschaft und Politik zusammenbringen will. Das Voneinanderlernen steht da im Vordergrund.
Aber warum bringt die Künstliche Intelligenz so viel Miteinander und Füreinander hervor? Was hat sie, was andere IT-Bewegungen nicht hatten? Matthias Koppenborg von Appointrix sieht das so: „Es ist der Automatisierungsgedanke, der den Unterschied macht. Durch Automatisierung und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz sind ganz andere Geschäftsmodelle möglich. Der Einsatz dieser Technologien bietet Unternehmen, aber auch Privatleuten, dadurch die Chance auf neuen Wegen miteinander zu interagieren. Umso wichtiger ist die Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern, um erfolgreich ein erfolgreicher Teil dieser Entwicklungen zu sein.“
Man will wohl keine chinesischen Verhältnisse
Gut, wir halten fest: KI ist facettenreicher als andere IT-Produkte. Das alte Denken des Problemerschlagens mit einem IT-Werkzeug greift hier nicht mehr. Viele Stakeholder gehören zu nur einem einzigen Problem. Fast hört man den manifestierten Wählerwillen sprechen. Und so ist Bauer der Meinung, die vornehmliche Aufgabe der Politik sei es, die richtigen Rahmenbedingungen und Leitplanken zu schaffen, zum Beispiel beim Thema Datenschutz: „Er sollte ein ermöglichender sein: Daten verarbeiten ja, aber natürlich bei gleichzeitigem Schutz von Persönlichkeitsrechten.“
Man will wohl keine chinesischen Verhältnisse, sondern eine europäische Antwort. Theresia Bauer sieht sich und die Politik da als Gestalterin, die den Weg in die unbekannten Möglichkeiten erleichtern und dabei europäische Werte hochhalten. Am Ende der Fahnenstange sieht Bauer Gesetze und Regularien. Doch lässt sich etwas so Dynamisches wie KI überhaupt in Gesetze einwickeln oder ist das deren sicherer Tod? Sind die Länder am Ende nur Umsetzer von diffusen Digitalisierungsvorhaben des Bundes, Frau Bauer? Werden Sie gar auf internationaler und Bundesebene getrieben von einem Hype namens KI? „Meine Treiber sind die Wissenschaftlerinnen dieses Landes. Sie zeigen mir die unendlichen Möglichkeiten der KI auf mit immer neuen Facetten für die ortsunabhängige Zusammenführung und Verarbeitung von Daten.“
So lernen wir, dass auch Wissenschaftsministerinnen stetig lernen. Ist die edukative Rolle, die Thortsen Pötter von der Politik fordert, wirklich allein von der Politik zu leisten? Möglicherweise nicht in aller Gänze. Auch die Wirtschaft hat ihren Teil beizusteuern, vornehmlich diejenigen Marktteilnehmerinnen, die KI produzieren. Gemeinsam können dann alle helfen, Ängste und Unsicherheiten bei denen zu minimieren, die eben keine KI-Experten sind. Und schließlich zu guter Letzt geht es ja auch um Arbeitsplätze, sagt Theresia Bauer.
Wir horchen auf. Denn glücklicherweise spricht sie das Thema von alleine an. Wie beurteilen Sie die Entwicklung denn, Frau Bauer? „KI wird Arbeitsplätze gefährden, wo Routinetätigkeiten übernommen werden, aber gleichzeitig auch neue schaffen durch erweiterte Spielräume, die sich auftun. Nämlich genau da, wo unsere sozialen und kreativen Fähigkeiten gefragt sind.“ Bauer hat eine realistische Sicht auf die Dinge. Das ist erfreulich. Sie produziert keine heiße Luft. Das wird vor allem bei der letzten Frage im Interview an sie klar.
Wo in ihrem Ministerium wünschen Sie sich den Einsatz von KI, um Prozesse zu beschleunigen? Wenn Sie sich was wünschen könnten, was wäre das? "Wir sind im Ministerium in Sachen Digitalisierung noch am Anfang – auch wenn wir durch die aktuelle Corona-Krise einen großen Sprung hin zum digitalen Arbeiten gemacht haben. Der nächste Schritt wäre, unsere gesamten Verwaltungsabläufe elektronisch und digital umzustellen. Stellen Sie sich vor, wir hätten alle unsere Daten digitalisiert und könnten über die Texterkennung alle relevanten Daten im Haus auswerten, wie beispielsweise Forschungsdaten zum Thema Klimawandel. Würden unsere Mitarbeiterinnen künftig durch KI-Methoden unterstützt, hätten diese viel mehr Zeit zum kreativen Denken. Sie könnten dadurch stärker als bislang in Lösungen arbeiten, und müssten weniger Zeit damit verbringen, Informationen zusammenzusuchen. Denn diese teilweise zähen Recherchen würden dann möglicherweise von KI übernommen. Das würde die Kreativität unserer Mitarbeiterinnen beflügeln und fördern.“
Herzlichen Dank für das offene Gespräch!