Das Rohr leckt, der Handwerker ist bestellt, aber …. Tjaaaa, jeder weiß, was jetzt kommt. Nämlich gar nichts. Zunächst einmal. Der Handwerker ist zwar bestellt, kann aber nur einen groben Zeitraum angeben, in dem er zu erwarten sei. Dieses Warten hat schon immer alle geplagten Kunden zu fantastischen Denkereien angeregt: Ärger, Wut und Unverständnis. Es müsste also etwas her, das beide Seiten friedvoll zusammenführt.
Dieses dachten wohl auch Matthias Koppenborg und seine beiden Partner vor rund einem Jahr. Das muss die Zeit gewesen sein, als einer von ihnen vielleicht ein solches Rohrproblem hatte und wartete und wartete und wartete. Einer von ihnen muss dann eine Fantasie über ideale Beziehungen zu Handwerkern gehabt haben. Einer von ihnen muss diese Diskrepanz über die Sache namens Terminzuverlässigkeit leid gewesen sein.
Doch es spielt grad gar keine Rolle, wen von ihnen die Erleuchtung traf. Sie haben ihr Startup mit dem Namen Appointrix gegründet, um solches Warten auf Handwerker und Techniker zu eliminieren. Unter anderem mit künstlicher Intelligenz verschönern sie nun Vorort-Termine von Handwerkern et al..
Und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Denn ihre Idee ist nun in einem Förderprogramm vom Cyberlab in Karlsruhe und dem Telekom TechBoost in Stuttgart gelandet. Wenn man Matthias fragt, was genau sie da eigentlich ersonnen haben, klingt das eher langweilig: „Bei uns geht es darum, das Kundenerlebnis bei Vorort-Terminen zu verbessern.“ Aha. Er selbst beschreibt es schmallippig. Wahrscheinlich weil er weiß, wie genial das ist, was er und seine Kumpels da kreiert haben.
Man muss schon nachbohren, um mehr zu erfahren: “Insbesondere konzentrieren wir uns auf Techniker- oder Handwerkertermine. Denn da gibt es verschiedenste Probleme. Das größte ist, dass man gezwungen ist, den ganzen Tag zu Hause zu sein, um zu warten.“ Und er meint übrigens nicht nur die Experten der Rohre oder des Wassers. Nein, er meint sie alle: die Möbelpacker, die Waschmaschinenanlieferer, die Zunft der Fliesenleger, die der Schreiner und Elektriker, Dachdecker, Trockenbauer, Küchenmonteure oder Glaser.
Dann redet Matthias von Verständnis und von gezielten Fragen und von Künstlicher Intelligenz. Und jetzt wird’s spannend. Vorweg muss gesagt werden, dass Matthias am KIT Wirtschaftsingenieurwesen studiert hat. Für ihn sind viele Teile der Realität abbildbar in Algorithmen. Für ihn ist (fast) jedes Problem duplizierbar in eine Cloud. So wohl auch die Beziehung zwischen Handwerkern und denen, die sie brauchen.
„Schon die Terminvereinbarungen verursachen Irritationen. Doch damit nicht genug, wir kennen das ja alle. Der komplette Prozess, den Kunden erleiden müssen, ist gespickt mit Ärgeranlässen. Der Handwerker spricht ja seine eigene Sprache, die der Kunde manchmal gar nicht versteht, weil er nicht in dessen Welt lebt.“
Der Termin ist logistikoptimiert
Die beiden haben diesen kompletten Prozess zwischen Handwerker und Kunden optimiert. Beispiel: Die Zeit auf der Straße kommt für jeden Handwerker einem Verdienstausfall gleich. Mit maschinellem Lernen schlägt ihre Lösung die optimalen Termine für beiden Seiten vor. Die Devise lautet: Maximiere die Zeit beim Kunden, minimiere die Fahrtzeit. Und der Kunde bekommt den Termin mittels selbstlernender Software bis auf fünf Minuten vorhergesagt.
Informiere-mich-2-Stunden-im-Voraus-Option
Der Kunde soll bei dem ganzen etwas begreifen: nämlich sich als integrierten Teil des gesamten Prozesses. Und er soll etwas nicht mehr tun: sich nämlich als das fünfte fremdgesteuerte Rad am Wagen wahrnehmen. „Denn selbst wenn man den ganzen Tag wartet, will und kann man auch nichts anderes in der Wohnung tun als warten, weil es ja sein könnte, dass der Handwerker jeden Moment klingelt.“ Und deshalb gibt’s die Informiere-mich-2-Stunden-im-Voraus-Option.
Wie kommt ein relativ junger Mensch zu einer solch ausgeprägten Liebe zur Dienstleistung? Schon während seines Studiums hat er bei Beratungshäusern Projekte begleitet, die sich ebenfalls um die Frage drehten, wie Unternehmen ihre Beziehungen zu ihren Kunden verbessern könnten. Dabei war ihm aufgefallen, dass viele Firmen dieses wirkliche kundenzentrierte Denken gar nicht leben. Er findet, dass sich viele selbst verwalten und gar nicht hinterfragen, was jeder einzelne Prozess dem Kunden am Ende bringt. Und damit würden sie sich die Fähigkeit nehmen, agil mit den Veränderung ihrer Kunden mitzugehen.
Und das glaubt er mit seinem Start-up geändert zu haben. Denn wer sich dafür interessiert, zahlt monatlich eine Gebühr, ähnlich wie bei Spotify oder dergleichen. „Zu diesen Bezahlformen geht ja auch der Trend,“ glaubt Matthias Koppenborg. „Unsere Kunden zahlen nur pro Nutzung, sie zahlen keinerlei Installationen oder sonstige Aufwände. Wir verkaufen den Service, die Software bereitzustellen als cloudbasierte SaaS-Lösung; wir machen keine On-premises Geschichten.“
Das mache auch deshalb für die beiden Sinn, weil viele ihrer Kunden gar nicht die Kompetenz hätten, all das im eigenen Hause datenschutzsicher betreiben zu können. Da wären wir bei einer heiklen Frage angelangt, Matthias: „Wie vermittelt ihr zwischen euch und euren Kunden?“ „Das ist eine sehr wichtige Frage. Wir stellen uns auf sie ein, wir betreiben monkey-testing. Wir betrachten das alles ja aus einer anderen Brille. Eigentlich sollte der Kunde die Software programmieren, aber das kann er nicht, also machen wir das für ihn. Doch unsere Kunden kennen ihre Materie am besten. Unser Credo lautet: so einfach wie möglich, damit wir uns alle verstehen. Denn bei jeder Komplexität könnte man Leute verlieren.“
Die technologischen Feinheiten kaspert Matthias also mit seinen beiden Partnern Patrick Piatkowski und Markus Spöri aus und belästigen damit nicht ihre Anwender-innen. Doch tappt ihr da nicht in eine Falle? Produziert ihr nicht Lösungen für Jobs, die es irgendwann gar nicht mehr gibt? „Nein, ganz und gar nicht. KI ist eine Allokationsfrage. Einfache Jobs werden wegfallen, das glaube ich schon. Diese nämlich, die sowieso keinem zuzumuten sind oder die auch keiner machen will. Aber dazu gehört nicht das, was unsere Kunden machen.“
Netzwerken – "Das ist eine der wichtigsten Sachen für ein Unternehmen. Bei Meetups sehen wir insbesondere den fachlichen Austausch und die Selbstvermarktung. Das ist wichtig, um aus dem eigenen kleinen Kreis rauszukommen und um andere Impulse zu erhalten. Aber auch für den Verkauf ist das wichtig: Menschen kaufen von Menschen und ungern von Maschinen. Es geht bei allem um Vertrauen. Und dafür ist und bleibt das Netzwerken das wichtigste Instrument. Der Soziologe nennt das peoples bussiness: Man verkauft an Personen, die man durch einen menschlichen Kontakt für sich gewinnen kann. Gerade wenn es um ein Softwareprodukt geht. Man sieht nicht, was technologisch dahinter steht. Das ist im Wesentlichen eine Frage des Vertrauens zwischen zwei Geschäftspartnern." Schlussfrage: Trotz Digitalisierung bleibt die menschliche Beziehung existenziell? "Na klar, das wird so bleiben."
Danke Matthias für deine Teilnahme und für das Interview!