Bei einem IoT-Projekt im Bereich Manufacturing geht es in erster Linie darum, die Produktionsumgebung „smart“ zu gestalten. Das bedeutet, die Anlagen müssen mit Sensoren ausgestattet und passende Softwarelösungen implementiert werden, eine IoT-Infrastruktur muss her. Darüber hinaus müssen Wege gefunden werden, um Daten zu sammeln, zu lagern und zu analysieren. In den seltensten Fällen verfügen Produzenten über die notwendige Expertise, die sich über Anlagen hinaus in weitere Bereiche wie Softwareentwicklung und IT-Infrastruktur erstreckt. Branchenübergreifende Partnerschaften werden also eine notwendige Bedingung für den Erfolg. Die Member-Community des E4TC am Campus der RWTH Aachen bringt viele Unternehmen aus unterschiedlichsten Bereichen zusammen und ermöglicht so einen interdisziplinären Austausch. Um mehr über diese neuen Notwendigkeiten im IoT-Bereich zu erfahren, habe ich mit meinen SAS Kollegen und anderen Mitgliedern des E4TC gesprochen, um mich über aktuelle Digitalisierungsthemen und die Motivation oder auch Notwendigkeit, sich einem solchen Netzwerk wie dem E4TC anzuschließen, auszutauschen.
Im heutigen Beitrag wende ich mich an meinen Kollegen Thomas Rohrmann, der als Marketing Manager für das Internet of Things am Puls des Geschehens agiert und interessante Eindrücke aus der Praxis geben kann.
Ich möchte gleich am Anfang auf die Digitalisierung und aktuelle Veränderungen am Markt eingehen. Welche sind in Deinen Augen denn aktuell die drei wichtigsten Digitalisierungstrends?
Thomas Rohrmann: Ich glaube, der spannendste Trend über alles hinweg ist mit Sicherheit künstliche Intelligenz. Da passiert gerade am meisten. Das ist der Hype-Begriff, auf den sich alle stürzen. Es gibt aber auch tatsächlich schon erste, total spannende Anwendungen. Die kommen ganz oft noch eher aus dem privaten Consumer-Bereich als direkt aus der Industrie, aber auch die Industrie springt dort auf. De Voraussetzung dafür ist allerdings, die Daten so in strukturierter Form vorliegen zu haben, dass eine künstliche Intelligenz auch was daraus machen kann. Das wird nie in allen Fällen zu 100 Prozent so sein, zum Beispiel, weil Losgrößen zu klein oder die Prozesse zu fragmentiert sind. Aber ganz prinzipiell ist künstliche Intelligenz momentan die spannendste Technologie, weil sie so viele Berufsfelder beeinflusst – sei es positiv oder als potenzielle Konkurrenz, beispielsweise zu menschlicher Intelligenz. Sie hat tatsächlich das gigantische Potenzial, die Welt, in der wir leben, zu verändern. Das ist schon mal die gravierendste Veränderung, die die Digitalisierung für Gesellschaft und Wirtschaft bringen wird. Der zweite Trend, der damit meines Erachtens verbunden ist, ist das Internet der Dinge, also IoT, das quasi die Datengrundlage dafür bereitstellen wird. Das Internet der Dinge ist quasi der Brandbeschleuniger für alle Anwendungen der künstlichen Intelligenz in der Industrie und bringt eine substanzielle Veränderung mit sich. Es geht nicht nur darum, die Daten in der eigenen Fabrikation, also in der Herstellung, damit besser zu erfassen und zu verbinden, oder Prozesse übersichtlich holistisch darstellen zu können. Es geht auch darum, die eigenen Produkte und Services draußen im Markt damit zu verbinden. Informationen über Nutzungsverhalten oder Performance der Maschinen dienen als Basis dafür, neue Services anbieten zu können und das eigene Geschäftsmodell zu verändern. Das sind für mich so die beiden wichtigsten Themen. Vielleicht ist der dritte Trend, der damit verbunden ist, im Endeffekt eher eine technische Infrastrukturdarstellung, nämlich die Cloud. Die Cloud ist eine notwendige Bedingung, dass es das Internet der Dinge gibt, und auch, dass eine KI richtig funktionieren kann, weil ich ansonsten einfach von zu vielen fragmentierten Daten spreche. Ich denke, das ist momentan das Spannendste, was da draußen passiert.
Du hast jetzt sowohl künstliche Intelligenz als auch Machine Learning erwähnt. Welchen Stellenwert haben diese Themen bei SAS?
Rohrmann: Künstliche Intelligenz ist quasi die logische Konsequenz von all dem, was wir mit Analytics-Software machen. Das heißt, das ist mit Sicherheit augenblicklich das größte Thema. Es gibt Algorithmen, die in mancher Form schon seit 20 Jahren vorliegen. Die Datengrundlage, die Verfahren, aber auch die Prozesse und Erfahrungen im Umgang damit verändern sich aber momentan massiv, und das ist der Treiber für das gesamte Geschäft. Technologisch gesehen ist wahrscheinlich die Cloud der größte Treiber für den aktuellen Wandel. All unsere Lösungen wurden früher, wie bei jedem Softwarehersteller, für den „On Premises“-Einsatz gestaltet, das heißt, sie werden irgendwo lokal installiert, lokal ausgeführt. Durch die Cloud ändert sich das gesamte Nutzungsverhalten unserer Kunden, also die Interaktion, wie sie mit unserer Software umgehen können. Das bezieht sich auch auf die Bereitstellung der Software, dass sie auch abgeschaltet, nicht genutzt oder skaliert werden kann. Das ändert sich massiv durch die Cloud, was auch bei uns im R&D, denke ich, gerade eines der größten Themen ist, und das Internet der Dinge kommt dann wahrscheinlich gleich danach. Das ändert nämlich die Art und Weise, wie wir im Markt agieren. Soll heißen, das Internet der Dinge ändert die Regeln, wie Märkte funktionieren. Ich finde, dieser Mix ist total spannend, und dem begegnen wir in unserem Unternehmen jeden Tag.
In diesem Zusammenhang sind Streaming oder Edge Analytics oft relevant. Wie ist das bei SAS?
Rohrmann: Das ist die technologische Grundlage. Wenn ich über das Thema IoT und Software spreche, ist das natürlich auch verbunden mit Cloud- oder Fog-Anwendungen, dann rede ich von dem Phänomen, dass ich möglichst nah am Sensor eine Entscheidung treffen werde, und zwar eine analytische Entscheidung, die nicht durch einen Menschen ausgelöst wird. Und um das machen zu können, müssen Algorithmen möglichst nah an einem Sensor laufen. Ein Sensor selbst hat keine Rechenkapazität, aber meistens sind es die Gateways, die Router in der Nähe der Sensoren oder Devices, die direkt mit den Sensoren verbunden sind. An diesen Geräten und Sensoren muss eigentlich Analytics laufen oder eine Entscheidung passieren – und dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Nummer 1: Ich kann alle Daten in der Cloud streamen und dann dort Analytics anwenden, Entscheidungen treffen und die Entscheidung zurück an das ausführende Device, also an den Actor, geben. Das wäre dann Streaming Analytics. Oder ich kann Analytics direkt am Gerät laufen lassen, was man dann als Edge Analytics bezeichnet. Beides sind Themen, in die wir stark investiert haben, und für die es auch Software von SAS gibt. Und beides sind Themen, auf die Kunden zwangsläufig stoßen, wenn sie sich mit dem Thema IoT, Analytics, Machine Learning und so weiter beschäftigen. Das Spannende daran ist, dass es nicht einfach nur um Geschwindigkeit geht, sondern auch um die reine Praktikabilität draußen im Feld. Ich muss auch sicherstellen, dass, wenn keine Internetverbindung vorhanden ist, weil ich mich entweder im Funkloch befinde oder in einem Tunnel oder Gebäude bin, Analytics noch funktioniert. Ich muss sicherstellen, dass eine Entscheidung, gerade wenn es um kritische Zustände geht, immer schnell getroffen werden kann. Deswegen ist Edge Analytics wichtig, denn Bandbreite kostet sehr viel Geld. Wenn ich Daten in die Cloud schicken will, muss ich erst mal wissen, welche Daten ich dahin schicke, und dieses analytische Filtern, das muss quasi auch „at the Edge“ passieren. Dann muss ich eben keine Terabytes Daten pro Stunde mehr senden, sondern vielleicht nur noch einige Megabytes eines analytischen Exzerptes. Datenauswertung ist also auch ein Kostenfaktor. Und das macht es tatsächlich spannend für Unternehmen, sich mit den Themen Edge und Streaming Analytics zu beschäftigen.
Können die von Dir genannten Trends, z. B. das IoT, auch schon zur Verbesserung der Produktion beim SAS Kunden eingesetzt werden?
Rohrmann: Wenn Unternehmen über IoT nachdenken, ist erst einmal der nahe liegende Schritt, dass man quasi vor der eigenen Haustür kehrt, sprich: Man schaut in die eigenen Produktionsanlagen rein. Und da geht es eigentlich immer um die gleichen Themen. Es geht darum, Stillstandzeiten zu vermeiden oder zu minimieren. Und es geht darum, die Qualität, die zur Produktherstellung als Level definiert worden ist, zu steigern, um letztlich auch den Output zu erhöhen. Das sind eigentlich immer die Hauptthemen in der Industrie, und genau dafür haben wir dann Lösungen. Wir haben Quality Solutions bei SAS mit diesen IoT Solutions kombiniert, also Edge und Streaming Analytics, so dass wir eigentlich diese ganzen Themen sehr gut bedienen können. Im Endeffekt geht es immer darum, Effizienzen zu steigern. Und dafür setzen viele Kunden unsere Lösungen ein.
Ändert sich durch die neuen Möglichkeiten von IoT und Industrie 4.0 auch das Zusammenspiel von Unternehmen?
Rohrmann: Das ist eine spannende Frage. Klassischerweise haben wir viele Integrationspartner, die unsere Software beim Kunden, vielleicht auch in Projekten, mit vermarkten, aber prinzipiell eigentlich deshalb infrage kommen, weil sie SAS Expertise haben und die Software beim Kunden installieren können. Das verändert sich im Bereich IoT gerade. Die Software wird sich weiterentwickeln und auch die Art und Weise, wie sie beim Kunden implementiert wird, und wir entwickeln auch unsere bestehenden Partner dahingehend weiter. Das ist ein evolutionärer Prozess. Was eher einer Revolution gleicht, ist, dass sich die Art und Weise, wie Software am Markt verkauft wird, durch das IoT ändert. Wenn man sich ein größeres IoT-Projekt mal anschaut, dann haben wir einen Maschinenbauer, der ein neues Produkt oder einen neuen Service kreieren möchte. Er wird ganz schnell feststellen, dass das heute natürlich keiner mehr ganz allein schafft und er deshalb mit neuen Partnern sprechen muss. Er muss sich plötzlich mit Hardwareherstellern, Netzwerkbetreibern und Cloud-Anbietern auseinandersetzen, mit denen er vorher vielleicht noch nie etwas zu tun hatte. Er braucht Change Manager, meistens sind auch Services betroffen. Der Kundenservice muss also mit ins Boot geholt werden, ebenso wie das Marketing und der Vertrieb, weil ich ganz neue Produkte und Geschäftsmodelle aufziehe – und, schwupp, merkt so ein Unternehmen, dass von der HR- bis zur Finance-Abteilung quasi jeder Unternehmensbereich in so ein IoT-Projekt mit reingezogen wird. Dann brauche ich Generalunternehmer, die mir die Komplexität abnehmen. Und ich brauche natürlich auch andere Softwareanbieter. Da geht es dann nicht nur um Analytics, wie SAS sie bereitstellt, sondern auch um ganz viele andere Themen, denn ich muss quasi ein Device Management installieren. Ich brauche Software, die im Frontend eine Schnittstelle zwischen Kunden und Services bildet. An allen möglichen Punkten habe ich unterschiedliche Partner, und die Konsequenz daraus ist, dass einem auch kein Dienstleister mehr allein ein IoT-Projekt anbieten kann. Das heißt, es entwickelt sich immer zwangsläufig eine Art Ökosystem von Anbietern, mit denen man als Industrieunternehmen zusammenarbeiten muss. Und das ist für uns dann natürlich auch der Punkt. Wir müssen schauen, wie wir in diese Ökosysteme reinpassen, und mit welchen Partnern wir zusammen agieren. Da geht es um die großen Hersteller von Hardware, Software, Infrastrukturanbieter wie Siemens oder Chip-Hersteller wie Intel. Mit solchen Unternehmen müssen wir uns verstärkt auseinandersetzen, und viele von denen bauen ihre eigenen IoT-Plattformen auf. Und diese Fragestellung nach dem Ökosystem, die ändert viel im Vertrieb bei uns. Das Partner-Management wird an der Stelle zu einer Art neuem Vertrieb.
Stichwort Ökosystem: Welche war denn die Hauptmotivation, Teil des E4TC zu werden?
Rohrmann: Genau das, was ich vorher beschrieben habe. Die Hauptmotivation ist erst mal, dass das E4TC sehr agil ist und sich in einem sehr agilen Umfeld platziert hat an der RWTH Aachen. Das ist aus einer Manufacturing-Sicht einfach super, und sie gehört mit Sicherheit zu den innovativsten Universitäten im Bereich Industrie, die es in Deutschland gibt. Was das E4TC dann macht, so eine Art Membership-Partnerlandschaft um sich herum zu gruppieren, das passt genau zu unserem Ökosystem-Gedanken. Es geht also in die richtige Richtung. Hier gibt es ein paar spannende Manufacturing-Projekte, in denen wir dann vielleicht auch eine Rolle spielen werden. Es gibt aber auch ganz viele Industriekunden, die das Umfeld nutzen. Das ist für uns vertrieblich spannend, da man dort auch mit vielen Ökosystem-Partnern sprechen kann und man sich in einer anderen Umgebung auseinandersetzt, als wenn man einfach nur über LinkedIn anfragt und mal ein Telefonat führt. Das ist das Spannende für uns am E4TC. Und unsere Idee ist, den Kunden dorthin zu bringen, um Workshops zum Thema Industrie 4.0 zu machen. Wir wollen an Projekten teilhaben, die dort bereits existieren oder entstehen. Und wir wollen einfach diese Partner dort kennenlernen, mittlerweile gibt es circa 25 Partnerunternehmen jeglicher Couleur. Und der Standort selbst ist natürlich auch attraktiv. Hier in Heidelberg haben wir keine industrielle Produktionslinie, die man sich mal vor Ort live anschauen kann. Das gibt's alles in Aachen, und es ist ein ganz spannendes Setting, das da zur Verfügung steht.
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