In meinem letzten Blog habe ich Ihr Wissen auf die Probe gestellt und versprochen, den Test fortzusetzen. Heute allerdings möchte ich mich nicht an weiteren Begriffen und deren Abkürzungen abarbeiten, sondern mich auf nur einen fokussieren. AnaCredit. Was verbirgt sich dahinter, was bedeutet er? Eines ist klar: An AnaCredit scheiden sich die Geister. Zu Recht oder zu Unrecht?
Für die einen ist es eine Datenkrake oder Datenmonster, welche(s) es zu bezwingen gilt, andere dagegen wünschen sich gar eine Ausweitung der Anforderungen. Ich unternehme hier den Versuch, die Diskussion zu versachlichen.
Was ist AnaCredit eigentlich?
AnaCredit steht für Analytical Credit Dataset und ist ein granulares statistisches Kreditmeldewesen, dessen Implementierung die Europäische Zentralbank am 18. Mai 2016 verordnet hat. Es handelt sich um eine neue Erhebungsmethodik auf Einzelkreditebene („Loan-by-Loan"). Entgegen der bisherigen Praxis werden Banken zukünftig nicht nur aggregierte Daten im Rahmen ihrer regelmäßigen Meldungen an die Aufsicht senden, sondern auch Informationen zu einzelnen Krediten (es werden 67 Attribute zu Krediten und Kreditrisiken sowie 22 Merkmale zu Kreditnehmern abgefragt). Es entsteht ein granularer Datensatz, der bedarfsgerechte Auswertungen auf verschiedenen Aggregationsstufen ermöglicht.
Die Einführung von AnaCredit erfolgt in mehreren Ausbaustufen, beginnend mit dem 1. Januar 2018. Als Meldeschwelle wurde ein Betrag von 25.000 Euro definiert, wobei zunächst nur Kredite an juristische Personen zu erfassen und zu melden sind. Für kleinere Institute hat die Bundesbank von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Erleichterungen festzulegen.
Was sagen die Gegner?
Kritiker von AnaCredit führen an, dass der bürokratische und prozessuale Aufwand zur Erhebung der geforderten Daten in keinem Verhältnis zum Nutzen stehe. Die Banken gehen davon aus, dass die Herausforderung nicht nur in der Datenmenge und Granularität besteht, sondern auch in der fachlichen Harmonisierung heterogener Datenhaushalte für Meldewesen, Controlling, Treasury oder Risikomanagement. Zudem bestehen Bedenken gegenüber verbraucher- und datenschutzrechtlichen Aspekten. Es wird befürchtet, dass eine Offenlegung von vertraulichen Informationen erfolgen könnte.
Was sagen die Befürworter?
Laut Bundesbank wird AnaCredit eine Reihe wichtiger Zentralbankaufgaben des Eurosystems wie z. B. die Geldpolitik, das Risikomanagement und die Finanzstabilitätsüberwachung unterstützen. Konkret bedeutet dies, dass es zukünftig möglich sein soll, Datensätze flexibler und multifunktionaler für unterschiedliche Zwecke und Institutionen zu nutzen sowie die Datenerhebung effizienter und konsistenter zu gestalten und so die Meldepflichtigen zu entlasten („collect data only once"). Das Ziel ist es, bisherige Statistiken oder Teile davon durch granulare Daten zu ersetzen.
Und wo stehe ich?
Ganz ehrlich: So richtig verstehen kann ich die Aufregung nicht. Weder, was den Aufwand betrifft, der im Rahmen der Umsetzung entsteht, noch die Sorge um den Datenschutz oder die Gefahr, dass bestimmte Branchen oder Personengruppe zukünftig keinen Zugang mehr zu Kredite haben werden. Sogar der Zentralverband Gartenbau hat sich in diesem Kontext zu Wort gemeldet und seine Bedenken geäußert.
Auch bei Basel II wurde prophezeit, dass die Vorschriften zu einer Kreditverknappung und zu einer Kreditklemme insbesondere des deutschen Mittelstands führen könnten. Eingetreten ist es nicht. Man kann zwar Basel II mit AnaCredit nicht direkt vergleichen, die Sorgen sind aber aus meiner Sicht gleichermaßen unbegründet.
Langfristig könnte sogar eine Entlastung bei den Instituten eintreten, wenn durch AnaCredit bestehende Meldevorschriften ganz oder zumindest teilweise abgeschafft werden.
1 Comment
Man darf in dem Kontext zwei Sachen nicht vergessen:
1) Werden die Zentralbanken wirklich Herr über den Datenhaushalt werden? Man muss das personell als auch infrastrukturell erst einmal stemmen, von einer formularbasierten auf eine einzelsatzbasierte Meldung zu wechseln...
2) Im Rahmen von BCBS239 sind die Banken so oder so schon angehalten, Ihre Datenhaushalte und Methoden zu konsolidieren und endlich eine breitere ADV anstatt des klein-kleins mit der IDV zu implementieren. Eine Kritik im Sinne "Harmonisierung heterogener Datenhaushalte nervt" ist da zwar nachvollziehbar aber ein Software-Entwickler wird auch für Spaghetti-Code abgewatscht...Im Gegensatz zum Software Entwickler hantiert aber dieser nicht mit systemrelevanten Geldmengen...
In meinen Augen ist es mehr als sinnvoll die Statistik hier etwas aufzubohren. Ich bleibe aber kritisch, ob das wirklich zu richtigen "Entscheidungen" seitens der Zentralbanken und zu mehr Nachhaltigkeit in der Geldpolitik der Banken führen wird.