Smart City Heidelberg – vom Klimakompass zum SAS Hackathon

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Die Stadt Heidelberg ist bekannt für das romantische Stadtbild, das Touristen aus aller Welt anzieht. Außerdem verfügt sie über die jüngste Bevölkerung in ganz Deutschland, was sie vor allem den vielen Studierenden an einer der ältesten und größten Universitäten Europas verdankt. Weniger bekannt ist vielleicht, dass Heidelberg eine Städtepartnerschaft mit Palo Alto im Silicon Valley pflegt.

Das ist kein Zufall, sondern Ausdruck einer ehrgeizigen Digitalisierungsstrategie. Über den gezielten Austausch sollen Hightech-Arbeitsplätze geschaffen und Services für die Bürger:innen entwickelt werden. Und es bewegt sich einiges: Das Heidelberg Business Development Center, gelegen am Palo-Alto-Platz, platzt aus allen Nähten. Eine lebendige Start-up-Szene profitiert von der Nähe zur Universität, der renommierten Uniklinik und den ansässigen, bereits etablierten Unternehmen. Der deutschlandweit einzige „Gameshub“ im Bereich LifeSciences beispielsweise versucht, Methoden der Spielentwicklung in Therapieformen für Krankheiten einzusetzen, also eine Kombination von Software-Know-how, Spielepsychologie und klinischer Expertise.

Eine eigene Digital-Agentur treibt städtische Digitalisierungsprojekte voran. Im Beirat dieser Entwicklungsgesellschaft sind wichtige Player der Stadtgesellschaft vertreten, etwa die Universität, aber auch Unternehmensvertreter:innen und Wissenschaftler:innen aus einschlägigen Bereichen. Auch SAS bringt sich hier ein und unterstützt mit Ideen aus dem globalen Geschäft genauso wie mit Beratung in konkreten lokalen Data-Science-Projekten.

Sebastian Warkentin, Managing Director bei der Digital Agentur Heidelberg

"Go" vom Oberbürgermeister

Ich habe mich mit Sebastian Warkentin, dem Geschäftsführer der Digital-Agentur, über die Entwicklung und die nächsten Schritte unterhalten. Sebastian, was waren rückblickend auf die letzten Jahre entscheidende Schritte in der Digitalisierungsstrategie der Stadt Heidelberg?

Zunächst einmal der Startschuss durch den Oberbürgermeister! Ohne die Spitze der Verwaltung lässt sich keine Veränderung, die letztendlich mit Digitalisierung einhergeht, nicht treiben. Dann war es aus meiner Sicht die Teilnahme am BITKOM-Wettbewerb zur Digitalen Stadt im Jahr 2017. Dafür haben wir unsere Ideen in eine Vision gebündelt, so entstand die Grundlage für die strategische digitale Stadtentwicklung, die  auch zur Gründung der Digital-Agentur, als Impulsgeber, Treiber, Koordinator und auch Projektumsetzer geführt hat.

In der konkreten Arbeit profitieren wir mittlerweile von unserem schrittweisen Vorgehen:

  1. Wir haben digitale Infrastrukturen geschaffen, zum Beispiel ein stadtweites LoRaWAN - mit diesem städtischen Internet der Dinge können wir jetzt viel einfacher Daten in der Fläche sammeln. Das geht über Sensoren, die schnell eingebracht werden können und uns Transparenz in Echtzeit verschaffen.
  2. Die Definition und Implementierung von Datenräumen war der nächste Schritt. Hier werden die Daten, welche in oder über die Stadt erzeugt werden, nutzbar gemacht. Ein Beispiel dafür ist der Klimakompass, der alle professionellen Umweltmessstationen in Heidelberg zusammenführt und die Informationen den Nutzern an einem Ort zur Verfügung stellt.
  3. Nun folgte als nächster Schritt eine systematische Analytik und die Visualisierung als Grundlage für datengestützte Entscheidungen

Parallel haben wir uns eine Datenstrategie überlegt, pflegen einen regen Austausch mit Ämtern und Nachbarkommunen und konnten damit nach und nach eine professionelle Datenkultur anregen.

Bleiben wir einmal kurz beim Klimakompass. Worum geht es da, warum ist das ein Beispiel für einen Datenraum?

Der Klima Kompass ist eine Umweltdatenplattform, die wir in Kooperation mit dem Amt für Umweltschutz, Gewerbeaufsicht und Energie, dem Amt für Digitales und Informationsverarbeitung, und der SAP SE als Umsetzungspartner entwickelt haben. Da geht es darum, einheitliche Wetterinformationen zur Verfügung zu stellen. So haben wir "einfach" die schon vorhandenen Wetterstationen miteinander vernetzt - die werden übrigens teils von der Stadt, teils von der Universität und anderen Institutionen betrieben.

War das nicht eine Frage von Schnittstellen?

Nicht nur das, Thomas! Dazu mussten auch einheitliche Datenmodelle und her, auf die sich alle einigen konnten. Hier haben wir erstmals auf das  FIWARE Framework gesetzt, das eben genau solche Standards vorsieht und das für verschiedene Domänen ausprägt ist. Unterstützt hat uns dabei einer der Konsortiumspartner dieses Frameworks, die NEC Labs, die ebenfalls in Heidelberg ansässig sind.

Letztendlich war das so erfolgreich, dass sogar private Wetterdatenanbieter auf uns zugekommen sind und einen Tausch angeboten haben: Sie wollen Zugang zu diesen Daten, und geben uns im Gegenzug ihre Daten - ebenfalls auf diese Plattform. Damit wächst der Nutzen für alle Beteiligten, so entsteht ein sich selbst verstärkender Effekt - ein Projekt mit Vorbildcharakter, um in anderen städtischen Bereichen, wie zum Beispiel Mobilität oder Kultur den Datenhaushalt in ähnlicher Weise zu organisieren, um die Daten aus den Silos heraus in die Nutzung zu führen.

SAS Hackathon

Ihr habt jetzt am SAS Hackathon mit einem Projekt zur Flutprognose teilgenommen. Was war die Motivation?

Natürlich ist nach der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 eine große Aufmerksamkeit auf dem Thema gerichtet worden. Heidelberg ist ja auch selbst immer wieder von Überflutungen betroffen, das kann man gut an den in Stein gehauenen Markierungen in der Altstadt sehen. Es gibt also ein großes Interesse, hier die vorhandenen Instrumente zu prüfen und gegebenenfalls zu verbessern.

Ihr konntet sicher Datenräume bei diesem Vorhaben nutzen?

So ist es, wir haben von unseren Vorarbeiten profitiert! Über die vorhandene Infrastruktur und vor allem die Schaffung von Datenräumen konnten wir einfach und schnell auf die nötigen Daten von Niederschlagssensoren und auf die zu den Pegelständen zugreifen. Mit ihnen haben wir dann ein analytisches Modell entwickelt; mit überraschend guten Ergebnisse, zugegebenermaßen auf einer bisher doch noch schmalen Datenbasis. Jetzt überlegen wir, wie wir aus dem Hackathonprojekt einen überregionalen Ansatz machen können. Denn mehr Daten und eine über Heidelberg hinausgehende Zusammenarbeit mit angrenzenden Kommunen oder übergeordneten Behörden würde das Modell weiter verbessern.

Welche weiteren Projektideen verfolgst Du mit Deinem Team?

Wir arbeiten an wirklich vielen Themen und priorisieren diese nach dem größten Nutzen für Bürger und Heidelberg-Besucher:innen. Beispielsweise fargen wir, wie sich unsere Verkehrsströme detailliert und datenschutzkonform erheben lassen, um Verkehrsknotenpunkte zu entlasten. Oder: Wie vermeiden wir Stau wegen Parkplatzsuche oder wir wollen auch Pendlerströme analysieren, um gegebenenfalls attraktive alternative Angebote zu machen. Das wäre  ein deutlicher  Nutzen für alle Bürgerinnen und Bürger und ganz im Sinne der Klimamodellstadt Heidelberg.

Dann bringen wir uns auch in die Planung der großen Konversionsflächenentwicklung Patrick Henry Village ein. Wie lässt sich dort Digitalisierung von Anfang an mitdenken zum Wohle für alle Bewohnerinnen? Konkret geht es da zum Beispiel um ein optimiertes Wärme- und Kältemanagement auf Basis von erneuerbaren Energien. Das wäre, in der Dimension eines eigenen Stadtteils ein weltweites Pilotprojekt.

Damit wir am Ende handlungsfähig sind, beschäftigen wir uns mit vorhandenen Frameworks und Technologien. Testen und Nutzen sogenannte unterschiedliche IT Plattformen, bringen uns in der Entwicklung von Datenstrategie und Infrastrukturdiskussionen ein und stehen im Austausch mit den vielen Ideengebern in Heidelberg – wofür wir sehr dankbar sind!

Wenn Du zusammenfassend Tipps geben würdest: Wie sollten Städte sinnvollerweise eine Smart-City-Strategie aufsetzen?

Digitalisierung sind viele kleine Sprints, die am Ende ein Marathon darstellen. Neben Freiräumen zum Ausprobieren und Lernen, braucht wir solide Grundlagen:

  • Sehr wichtig ist eine offene und mutige Haltung gegenüber der Digitalisierung.
  • Eine wesentliche Grundlage ist eine transparente Datenstrategie.
  • Eine digital affine Verwaltungsspitze, die auch einmal ins Risiko geht.
  • Ein gemeinsames Zielbild und der Wille für abgestimmtes Vorgehen im Zusammenspiel von Infrastruktur, und IT-Plattformen auf Anwendungsebene. Ziel: Um den vollen Nutzen aus modernen Data-Analytics-Ansätzen und erkenntnisstiftenden Visualisierungen sowie attraktiven Services zu schöpfen.
  • Schaffung von verständlichen Leuchtturmprojekten, um Vorbehalte abzubauen und eine europäische Version der digitalen Transformation voranzutreiben.
  • Reden und vor allem Zuhören! Mit den beteiligten Ämtern, den Stadtwerken, IT Firmen, den ansässigen Wirtschaftsunternehmen und vor allem den Bürgerinnen und Bürgern.

Die Digitalisierung einer Stadt betrifft uns alle. Wir sollten sicherstellen, dass wir sie im Sinne der Gemeinschaft gestalten.

Vielen Dank, Sebastian!

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About Author

Thomas Keil

Director Marketing

Dr. Thomas Keil is a specialist for the impact of technology on business models and on society in general. He covers topics like Digital transformation, Big Data, Artificial Intelligence & Ethics. Besides his work as Regional Marketing Director at SAS in Germany, Austria and Switzerland he regularly is invited to conferences, workshops and seminars. He serves as advisor to B2B marketing magazines and in program committees of AI-related conferences. Dr. Thomas Keil 2011 came to SAS. Previously, he worked for eight years for the software vendor zetVisions, most recently as Head of Marketing and Head of Channel Sales.

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