„CRM muss die Innovations-Lawine beherrschen und intelligent vernetzen!“

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Nächste Woche steigt mit dem German CRM Forum die führende CRM-Konferenz in Deutschland. Nils Müller, CEO von TrendONE, hält die Keynote über „Meet your future customer“. Im Interview mit „Mehr Wissen“ spricht er über Innovationen, das CRM der Zukunft und Google Glass im Business-Alltag. 


Bewerten Sie doch bitte die Innovationsfähigkeit der Deutschen.

Wir haben in Deutschland ein Mentalitätsproblem und glauben immer gleich alles richtig machen zu müssen. Um innovativ zu sein, muss man ins Risiko gehen und über den Tellerrand schauen. Weil wir aber Risiken vermeiden, sind wir ein bisschen langsamer als andere Länder. Um neue Geschäftsfelder und Märkte zu erobern, zählt die Schnelligkeit.  

 Haben wir nichts, wo wir führend sind?

Klar doch, es gibt ja drei Arten innovativ zu sein. Fangen wir an mit dem amerikanischen Modell: Just do it! Wenn Amerikaner einen Sportwagen bauen, nehmen sie einen LKW-Motor und bauen ihn in das leichteste Fahrwerk ein. Der erste Prototyp ist schnell fertig, hat aber Mängel: Wenn man einsteigt, verbrennt man sich die Finger, er ist irre laut und verbraucht 30 L /100 Km. Die nächste Überarbeitung behebt dann die Fehler. Amerikaner setzen ihre Ideen direkt um – und sind dabei bereit, Fehler zu machen, um daraus zu lernen. Man ist schnell in einem agilen Prozess drin.

Aber das unterscheidet sich doch nicht so grundsätzlich von der Vorgehensweise in deutschen Unternehmen. 

Deutschland hat einen zweiten Innovationsansatz, es ist eher das Land der Porsche-Ingenieure. Unsere Entwickler machen, was sie eh schon gut können, immer noch besser. Daraus entsteht ein Tunnelblick. Man kümmert sich nur um diese eine Schraube und investiert alle Energie darin, die immer noch ein bisschen leichter zu machen – und heraus kommt der beste Sportwagen der Welt. Die Deutschen sind problemorientiert und die Amerikaner lösungsorientiert – mit beiden Wegen kann man Innovationen erzielen.

Und die dritte Herangehensweise?

Das dritte ist das asiatische Model. Einer sagt: Wir haben jetzt alle 100 GB Internet-Anbindung – und dann wird das dann auch gemacht. Keiner fragt, warum wir das brauchen. Oder sagt, das ist zu teuer, zu schnell und zu gefährlich. Es wird einfach ausgerollt. Im ganzen Land. Und es wird nicht hinterfragt. Es ist ein stark hierarchisches Modell, skaliert aber sehr schnell und treibt dadurch die Unternehmen noch stärker dazu an, das innovativste Produkt oder die innovativste Idee zu haben.

Mein Fazit: Innovationsgeschwindigkeit ist ganz entscheidend. Wenn Sie mehr Gewinn als Unternehmen haben wollen, müssen sie schneller als andere in neue Märkte rein. Und da sind die Deutschen mit ihrem Modell ein bisschen behäbig.

Im CRM und Marketing: Wo sehen Sie hier die großen Trends und Innovationen?

Es wird mehrschichtiger. Wir bewegen uns in einer Multi-Optionswelt, wo die Berührungspunkte zum Kunden immer vielfältiger werden.

Der Kundendialog findet nicht nur im Mailing, Telefon oder persönlichem Gespräch statt. Sondern sie haben eben ganz viele neue Kanäle. Ob das bei Twitter oder Facebook ist, wo sie mit ihren Kunden in Kontakt bleiben. Oder über mobile Medien oder iPads am Point of Sales. Oder eben über Gesichtserkennung über die Google Brille. Es kommen täglich gefühlt zehn neue Touchpoints hinzu – und das CRM steht vor dieser Lawine an Innovationen und muss lernen diese zu managen und intelligent zu vernetzen. Wir sprechen hier von Omni-Channel Management.

Diese Realität von Social, Mobile, Local Integration findet bereits heute statt – welche Herausforderungen sehen sie für die Ansprache des Kunden von morgen?

Für die Unternehmen ist die größte Herausforderung, die IT weiterzuentwickeln: Der Marketingmanager hat bald mehr IT-Budget als der CIO. Da so viele neue Technologien entstehen, muss man eben verstärkt investieren, um den Dialog mit den Kunden aufrechtzuerhalten. Das ist für die meisten Unternehmen die größte Herausforderung, weil die IT im Moment eh schon an der Grenze der Belastbarkeit angekommen ist.

Beispielsweise: Banken und Versicherungen haben oft hausinterne IT-Abteilungen. Wenn Sie für die Gespräche mit den Kunden hier iPads einsetzen wollen, mit dem sie auf die Daten im CRM zugreifen können. müssen Sie ein Ticket ziehen und dann ein Jahr warten, bis sie dran sind.

Sie sprechen indirekt den Umgang mit Daten an – wie beurteilen sie die Entwicklung hin zu mehr Data-Driven Decisions? Wie werden sie das Marketing prägen?

Die Visualisierung von Daten ist superrelevant. Es geht ja nicht um Big Data, es geht um Smart Data. Wir wollen keine riesigen Datenberge, sondern die Intelligenz aus den Datenbeständen herausholen. Und dafür brauchen wir Visualisierung, Semantik und Algorithmen. Darauf bauen Data-driven Services auf. Dabei denke ich unter anderem an Social Analytics, Semantic Intelligence und Smart Search. Am Ende braucht es noch gute Interfaces, um diese Daten überhaupt zu verstehen, zu erfassen und damit arbeiten zu können.

Sehen Sie diese Brillen wie Google Glass als ein seriöses Interface-Tool im Business-Alltag?

Wir müssen sehen, dass wir einen immer direkten, schnelleren und personalisierten Zugang zu Daten brauchen. Die Augmented Reality (AR) Brillen bieten das. Die Informationsaufnahme rutscht eine weitere Ebene näher an den Menschen ran. Das erste Medium war das Kino: Da saß man noch mit 100 Leuten. Das zweite Medium war der Fernseher, hier waren es dann schon nur noch drei Leute. Dann der Computer oder das Handy – das war dann schon MEINS. Jetzt kommen die Brillen und aus MEINS wird ICH. Die Technik wird zu einem Teil des Menschen. Technik und Menschen verschmelzen, wir sprechen von Human 2.0. Das wird auch im Business Einzug halten.

Wann kommt das für den Business-Alltag?

In Deutschland werden die ersten Brillen ausgeliefert nachdem der US-Markt versorgt ist. Es gibt 20 Hersteller momentan und davon sind fünf relevant. Das bedeutet, wir werden frühestens 2015 die Markteinführung für Consumer zugänglich haben. Und dann dauert es sicherlich weitere zwei Jahre bis ein Niveau erreicht ist, sodass man damit arbeiten kann. Ihnen nutzt ja eine Marktpenetration von 1% nichts, sondern sie brauchen mindestens eine Verbreitung von 10%, wenn sie Apps betriebswirtschaftlich rentabel dafür entwickeln wollen. Das sehe ich vor 2017 nicht.

Läuft die Online-Kommunikation spätestens dann den klassischen Kommunikationskanälen endgültig den Rang ab?

Es verschmilzt. Offline besteht weiter – wenn es das überhaupt noch so separiert gibt. Print wird schrumpfen, aber es wird Premium. Das ist eine ganz neue Chance noch einmal stärker und hochwertiger anzusprechen, als digital es kann. Print wird also Print PLUS: Es erweitert sich um AR, NFC-Kommunikation und flexible Screens. Dadurch wird es ein stärker hybrides Medium.

 

Vielen Dank für das Interview! 

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About Author

Roland Brezina

Manager Customer Intelligence

Roland Brezina ist Leiter des Center of Excellence Customer Intelligence bei SAS in Deutschland, Österreich und der Schweiz: Der Diplom-Informatiker und CRM-Spezialist berät seit mehr als 15 Jahren Unternehmen bei der Entwicklung und Umsetzung von IT-Strategien im Marketing. In seiner langjährigen Tätigkeit für SAS war maßgeblich daran beteiligt, das SAS-Lösungsportfolios für Customer Intelligence im deutschen Markt zu etablieren. Bereits in seiner Zeit vor SAS hat er branchenübergreifende Erfahrungen als Berater für Business Intelligence-Lösungen und CRM im Umfeld mittelständischer und großer, internationaler Unternehmen gesammelt.

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