Nein: Euphorie sieht anders aus. Der Medienprofi Rudi Klausnitzer gehört nicht zu den Menschen, die Big Data als das „neue Öl“ bejubeln oder in der Datenflut ein Allheilmittel sehen. Stattdessen wirft er einen kritischen, nüchternen, realistischen Blick auf die schöne neue Datenwelt – und pocht auf die an sich nicht überraschende Tatsache, dass Big Data wie jede andere umwälzende Entwicklung nicht nur Sonnen-, sondern auch Schattenseiten hat. Ein Blick, finde ich, der auch all jenen gut tut, die sich täglich mit dem Thema beschäftigen. Denn allzu leicht geht dabei eine gewisse Distanz verloren, und allzu leicht schwindet damit auch das Einfühlungsvermögen für all diejenigen, die Big Data eher beängstigend finden und mit Orwell’s Big Brother assoziieren. Bei Klausnitzers routiniert formulierten, leicht lesbaren Argumentationen kann ich ihm teilweise folgen, muss aber an einigen Punkten auch widersprechen.
Der Autor zeigt sich dabei zunächst von einer kulturellen Entwicklung besorgt: Die wachsende Vorhersehbarkeit. Er spricht von den Datenspuren, die jeder hinterlässt, und von der Möglichkeit, aus diesen Daten Hochrechnungen auf unser aller Verhalten anzustellen. Das ist natürlich richtig und, nüchtern betrachtet, auch noch längst nicht im kollektiven Bewusstsein verankert. Hier ist viel Aufklärung gefordert, denn: aufhalten lässt sich diese Entwicklung längst nicht mehr. Gleiches gilt für die enorme Beschleunigung alltäglicher Vorgänge, die durch hochleistungsfähige Computersysteme angetrieben wird. Insgesamt beschreibt er die rückläufige Bedeutung des Faktors Zufall, die – so lese ich zwischen den Zeilen – dem Leben eine teilweise bedauerliche Vorhersagbarkeit beschert. Spannung und Überraschung schwinden, die Langeweile steigt.
Nicht ganz einverstanden bin ich mit seiner Kritik an der Nutzung von Big Data für Geschäftsprozesse. Wenn auch der Zufall dem persönlichen Leben eine gewisse Würze gibt: Im unternehmerischen Handeln war er noch nie erwünscht, und mit Big Data Analytics wird er immer weiter zurückgedrängt. Das ist eine absolut erfreuliche Entwicklung, die die Wirtschaft beflügeln wird. Davon bin ich überzeugt.
Im Fazit allerdings – den Punkt der Daten-Ethik überspringe ich jetzt und überlasse die Beurteilung jedem einzelnen – bin ich dann wieder ganz bei Klausnitzer: Big Data findet statt, ob mit oder ohne uns. Es wäre insbesondere für Unternehmen sträflich, die Chancen zu vernachlässigen, die die Nutzung dieser Daten bietet. Aber dauerhafter Erfolg wird sich nur für den einstellen, der auch die Gefahren hinter dieser Entwicklung wahr- und ernst nimmt. Und zwar aus persönlicher und aus unternehmerischer Sicht.
Dieses Buch ist sicher nicht das Einzige, das man über Big Data lesen muss – aber es sollte mit dabei sein.
Das Buch:
Rudi Klausnitzer
Das Ende des Zufalls
Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht
Ecowin Verlag 2013, 230 S., geb.
ISBN 978-3-7110-0040-8
EUR 21,90