Professor Dr. Björn Bloching ist Autor des Wirtschaftsbuchs 2012 – „Data unser“ – und als Senior Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger unter anderem verantwortlich für das Geschäftsfeld „Marketing & Sales“. Er hat mir Fragen beantwortet zum Umgang mit Daten im Kundenmanagement, zur Nutzung des Potenzials in der Praxis und der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen. Wir werden das Interview in zwei Teilen veröffentlichen. Das ist der zweite Teil des Interviews, hier geht es zum ersten Teil.
Welches Know-how sollten Marketingabteilungen verstärkt aufbauen?
Wir brauchen mehr Data Scientists. Das brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Marketing muss rechnen lernen, verstehen wie der Vertrieb funktioniert und welche Informationen wirklich handlungsleitend sind. Sonst besteht die große Gefahr, sich von Big Data überrollen zu lassen.
SoLoMo als Trend: Gibt es aus Ihrer Sicht hier schon Erfahrungswerte? Welche Ansätze tragen am ehesten zur Wertschöpfung bei?
Auf Vorstandsebene ist das meines Erachtens nach kein Thema. Aber es würde keiner bestreiten, dass SoLoMo wichtig sein könnte - in den USA wichtiger als bei uns. Für deutsche Unternehmen stehe ich auf dem Standpunkt: 'First things first', denn es gibt so viele Basissachen, die noch nicht gemacht sind. Wenn man die Hausaufgaben nicht hinbekommt, sollte man sich nicht schon mit dem Next Level beschäftigen. Wenn ich in Autohaus gehe, würde es mir schon reichen, wenn durch das Smartphone dem Verkäufer erklärt wird, wer da gerade reinkommt. Ob ich mit Argumented Realty unbedingt schon heute wissen muss, in welchem Haus sich welches Restaurant mit welcher Bewertung verbirgt?! Da bin ich mir nicht sicher.
Wie weit sind deutsche Unternehmen im Vergleich zu ihren amerikanischen Wettbewerbern? Gibt es Dinge, die man hierzulande von US-Firmen lernen kann?
Deutsche Unternehmen sind in Sachen Competitive Analytics nicht sonderlich weit, ehrlich gestanden. Natürlich gibt es gute Ideen, die vorhandenen Daten zu nutzen. Es gibt auch erste Anwendungsszenarien wie das Customer Centric Retailing im Einzelhandel. Aber eine Gefahr, die dabei besteht: Deutsche wollen nicht einfach etwas machen, sie wollen etwas besonders gut machen. Und da kann man durchaus von US-Unternehmen lernen. Bei denen gilt: Try, fail. Try again, fail again. Immer wieder ausprobieren, das ist ja der große Charme von Big Data Analytics. Eine bestimmte Maßnahme testen und immer in Echtzeit wiedergespiegelt bekommen, ob sie funktioniert oder nicht. Ein Verfahren, dass deutsche Unternehmen nicht so gerne anwenden. Die hätten es gerne g-e-n-a-u.
Und noch eine Frage nach Ihrer persönlichen Einschätzung … Social Software, Datenbrille/Smartwatch und ROPO vs. Facebook-Aussteiger, Burnout und Work-Life-Balance: Hat die Technik den Menschen abgehängt und wird unser Leben daher trotz aller Angebote wieder analoger?
Ich kann mir perfekte Collaboration-Werkzeuge vorstellen, aber ein natürlicher Egoismus des Menschen – und wir befinden uns ja in einer Wettbewerbssituation – wird die Informationspreisgabe beschränken, damit die perfekte Nutzung verhindern und die Tools werden somit irgendwann an ihre Grenzen stoßen. Aber auch unter diesen Prämissen ist mehr virtuelle Collaboration möglich als wir heute haben.
Trotzdem: Ein guter Windsurftag in der Welle, ein Abend mit Freunden unter dem Sternenhimmel an der langen Tafel mit hausgemachter Pasta oder Drachen steigen lassen auf einem im Herbst abgemähten Weizenfeld - alles das kann einem keine Datenbrille und kein Network geben. Die großen emotionalen Momente, an die man sich wirklich erinnert, werden auch in Zukunft wahrscheinlich sehr reale Ereignisse sein.
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6 Comments
Vielen Dank für den ausgezeichneten Artikel.
Und ja, wir brauchen für die Zukunft definitiv mehr Data Scientists, damit "Big Data" nicht zu einem Buzzword verkommt, sondern sich wirklich Menschen damit auskennen und damit arbeiten können.
Dan Ariely erklärt das momentane Verständnis der Masse von Big Data so:
"Dabei ist die Vorstellung was Big Data jetzt eigentlich ist, bemerkenswert schwammig. Mit Big Data ist es wie mit Sex im Teenager-Alter: Jeder spricht darüber. Keiner weiss wirklich, wie es geht. Alle denken, dass die anderen es tun, also behauptet jeder, dass er es auch tut.
BIG DATA lässt leben.
Was werde ich als Opa noch verstehen? Was werden meine Enkel erleben und ich noch verstehen können? Meiner Oma konnte ich noch ein Tastentelefon als Alternative zur Wählscheibe zeigen...praktisch, weil schneller...., ein mobiles Telefon konnte ich noch erklären, weil sie damit nicht immer zum Telefon rennen musste, wenn die Enkel angerufen haben, - mit meinem ersten Autotelefon konnte ich in ihren Augen schon die ersten Fragezeichen sehen - aber mit der Erklärung - ich bin so schneller und jetzt überall erreichbar, konnte ich noch eine plausible Erklärung liefern....Mit meinem Smartphone, APPS, Email, usw....blieb die Eigenschaft "schnell", aber meine Oma vermisste, ob all der Schnelligkeit ihren Enkel mehr und mehr. Der war ständig "schnell" Schnell da..schnell dort...schnell bei Oma....und schnell im "nicht was verpassen" wollen ... ständig in der Erwartung....Was wird mir als nächstes für mich BESTES....geliefert.... Mit Google Glasses - ein Sprung...die Oma lebt nicht mehr.....irgendwas fehlt...schnell googeln...keine Antwort.... unerträgliche leere....schnell weiter...Hey...da...schnell hin..."DIESES" Leben geht weiter :-)!
PS: Als Opa wird mir meine Krankenkasse mitteilen, dass ich aufgrund der festgestellten Paamater meiner letzten Blutuntersuchung wahrscheinlich zuwenig.......habe. Nach neuesten Untersuchungen [ BIG DATA ] wird bei dieser Indikation empfohlen folgendes zu tun.....
BIG DATA hilt den Opa für die Enkel zu erhalten 🙂
BIG DATA lässt leben!
Ein tolles Interview - das Buch dieses Mannes würde mich tatsächlich sehr interessieren!
Besonders gefallen hat mir folgender Satz:
"Der schnellen Umsetzung dieser Konzepte [rundum das Thema Analytical Competitor] stehen strukturelle Abteilungsgrenzen entgegen: In der Vergangenheit war Analytics ein Thema der IT, Einzelkundensteuerung in der Verantwortung des Vertriebs und Kampagnenplanung eine Marketingaufgabe. Und eigentlich gehört das alles zusammen und zwar in Echtzeit. Eng verknüpft und abteilungsübergreifend zu denken, ist eine Fähigkeit, die sich erst noch stärker entwickeln muss."
Das ist so wahr! Starre Abteilungsgrenzen funktionieren heute einfach nicht mehr - genau wie Analysen irgendwelcher Einzelteile eines Shops bzw. von Datenmaterial aus völlig separierten Quellen. Um die Probleme in den Griff zu bekommen, die Herr Bloching beschreibt, ist das A und O ein System, das Datenquellen integriert und ganzheitliche Analysen ermöglicht. Nur so kann z.B. ein Onlineshop wirklich zielführend optimiert werden und zu diesem Zwecke Abteilungen wie IT, Vertrieb und Marketing zu einer wirklich effizienten Zusammenarbeit gebracht werden - bzw. Aufgaben effizienzfördernd umverteilt werden.
Zugegeben trifft Herr Bloching mit seinen Statements und Überlegungen natürlich genau unsere Baustelle als BI-Entwickler und -Berater speziell für Onlineshops - aber das macht seine Gedanken natürlich auch ganz besonders interessant für uns. Was er beschreibt, sind genau die Herausforderungen, mit und an denen wir täglich arbeiten. Und ich kann versichern: Genau wie er sagt ist das ja sowas von erfolgsfördernd! 🙂
BREAKING NEWS 🙂
NSA sammelt Daten..Gockel, Dichgetubede, Gesichterbook und Co liefern ..gewollt oder ungewollt - noch "egal" 🙂 BIG DATA...Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns mit den Zeiten?
Für das Buch hinterlasse ich doch auch glatt einen Kommentar. Klingt spannend.
Gewonnen! Danke - ich freue mich schon es zu lesen