In der Tagespresse kaum beachtet, in Fachkreisen aber sehr wohl wahrgenommen: 2013 wurde zum internationalen Jahr der Statistik erklärt. Es gibt sogar eine eigene Organisation bzw. Webseite.
Woran liegt es, dass von diesem Ereignis in der Öffentlichkeit kaum berichtet wird? Zugegeben, mit dem Begriff „Statistik“ assoziiert man vielleicht nicht gerade aufregende Dinge. Für viele hat es die Aura des Verwaltens von Zahlenfriedhöfen oder des Erstellens von Tabellen und Grafiken mit mehr oder weniger nützlicher Information. Bei anderen ruft allein die Erwähnung des Begriffs unangenehme Erinnerungen an den Inhalt bestimmter Schul- oder Studienfächer wach. Wenn man dann noch unzählige Witze oder Bonmots rund um den Begriff hinzuaddiert, wird schnell klar, wie es zu dieser fehlenden Wahrnehmung kommen konnte.
Dabei spielt Statistik heute eine viele größere Rolle in unserem Alltag als man vielleicht auf den ersten Blick hin erwarten würde. Freilich, dabei geht es weniger um das Erstellen von Zahlenfriedhöfen oder das Aufbereiten dieses Datenmaterials mit Hilfe aussagekräftiger Zusammenfassungen, was noch am ehesten mit dem Begriff „Deskriptive Statistik“ umschrieben werden könnte.
Wo Statistik im modernen Alltag eine Rolle spielt, ist die deskriptive Seite vielleicht nicht die wichtigste. Viel interessanter sind z.B. Verfahren, mit denen man versucht, aus Stichproben repräsentative Rückschlüsse auf eine wie auch immer geartete Grundgesamtheit zu ziehen. Dieser Bereich – die schließende Statistik oder Inferenz-Statistik – leistet heute im Alltag viele wertvolle Dienste. Häufig findet der Einsatz statistischer Verfahren im Kontext ganz bestimmter Fragestellungen statt und wird von Leuten bewerkstelligt, die nicht zwingend eigens dafür ausgebildete Diplom-Statistiker sein müssen.
Beispielsweise würde vielleicht ohne den Einsatz statistischer Verfahren …
- … ein Automobilhersteller oder Zulieferer extreme Schwierigkeiten bekommen, die Stabilität des Herstellungsprozesses und damit die Qualität oder Zuverlässigkeit des Endprodukts oder einzelner Komponenten zu beurteilen,
- … eine Versicherung nicht wissen, welche Merkmale eines Versicherungsnehmers wirklich das Risiko eines Schadeneintritts beeinflussen und verursachungsgerecht im Versicherungstarif abgebildet werden sollten,
- … eine Bank sich ohne Zuhilfenahme objektiver Entscheidungskriterien allein auf das Bauchgefühl verlassen müssen, um eine Antrag für einen Ratenkredit hinsichtlich Ausfallrisiko zu beurteilen
- ... oder ein Pharmaunternehmen nicht nachweisen können, ob ein neuer Wirkstoff gegenüber bestehenden Alternativen einen Mehrwert liefert bzw. keine zusätzlichen Risiken und Nebenwirkungen beinhaltet.
Diese Liste ließe sich wohl beliebig fortsetzen. Aber auch in vielen Dingen, die man heute eher mit Begriffen wie Data Mining, künstliche Intelligenz oder maschinelles Lernen verbindet, steckt unter der Haube eine Menge an Statistik. Man denke nur an das Konzept der Produktempfehlungen á la Amazon („Kunden, die … gekauft haben, haben auch … gekauft!").
Also – Statistik erschöpft sich eben nicht im Erstellen von Zahlenfriedhöfen, sondern bietet jede Menge Möglichkeiten für interessante Tätigkeiten in ganz verschiedenen Themen.
Es bleibt zu hoffen, dass das Jahr der Statistik dazu beiträgt, das Image dieses spannenden Themas in der Öffentlichkeit positiv zu beeinflussen.
Übrigens: Auch so wie in diesem alten TV-Sketch mit Harald Juhnke und Ralf Wolter (leider nur auf der Tonspur) kann man natürlich Statistik einem Nicht-Statistiker erklären. Leider besteht die Gefahr, die Vorurteile über Statistik und Statistiker zu bestätigen.
Unterhaltsam ist es aber trotzdem.