IFRS 17 – ein neues Paradigma im Rechnungswesen

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Der neue International Financial Reporting Standard (IFRS 17) stellt Versicherer vor Veränderungen, wie sie die Branche selten zuvor erlebt hat. Die Vorgaben sollen die Transparenz im Finanzberichtswesen verbessern und außerdem eine Grundlage für die Vergleichbarkeit mit anderen Branchen schaffen. Analysten und andere Branchenspezialisten haben diese Vergleichbarkeit schon seit langer Zeit gefordert – und werden jetzt mit IFRS 17 erhört. Die Einführung einer einheitlichen Sprachgebung für die Bewertung von Versicherungsverträgen, die die breite Palette an nationalen Ansätzen ablösen soll, soll auch bessere Informationen über die tatsächliche Profitabilität einzelner Versicherungsprodukte liefern.

IFRS 17 wird rund 450 Versicherungsunternehmen weltweit betreffen. Sowohl internationale Konzerne als auch große nationale Player müssen bis Januar 2021 auf die neuen Standards vorbereitet sein. Abwarten und Tee trinken ist aber keine Option: Der Handlungsdruck ist sogar größer als erwartet. Denn die Vorgabe, bereits ein Jahr vor dem Inkrafttreten der neuen Standards die Ergebnisse gemäß den bisherigen Bewertungsmethoden mit den neuen zu vergleichen, um die Methodik im Bedarfsfall noch genauer abstimmen zu können, rückt die Frist für den Projektstart auf „sofort“ – wenn man rechtzeitig fertig sein möchte.

Aber was bedeutet IFRS 17 eigentlich genau?

Bei den herkömmlichen Rechnungswesenstandards basiert die Bewertung von Versicherungsverträgen auf historischen Zahlen und Daten, die zum Beginn des Versicherungsschutzes vorliegen. Sehr vereinfacht ausgedrückt: Sie wird nach Barmitteln berechnet. IFRS 17 fordert dagegen eine vorausschauende Kalkulation – und zwar auf der Grundlage von bestmöglichen Schätzungen der generierten Cashflows. Sie richtet sich mehr auf die Profitabilität von Portfolios oder Gruppen von Versicherungsverträgen. Der neue Standard regelt die Grundsätze in Bezug auf die Identifikation, den Ansatz, die Bewertung, den Ausweis sowie die Anhangangaben für Versicherungsverträge.

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Änderungen im gesamten Unternehmen

IFRS 17 wirkt sich nicht nur auf die direkt involvierten Aufgabenbereiche wie Rechnungswesen oder Finanzberichtswesen aus. Stattdessen hat die neue Regelung tatsächlich das Potenzial, die übergreifende geschäftliche Ausrichtung von Versicherern komplett umzukrempeln – sei es in der Produktentwicklung, bei Kernprozessen oder im Hinblick auf Vergütungsmodelle, um nur einige Beispiele zu nennen.

In der Produktentwicklung könnten sich Versicherer zum Beispiel fragen, ob ihre Angebote überhaupt zukunftstauglich sind oder ob einzelne Produkte profitabel sind. Der End-to-End-Ansatz von IFRS 17 wird zudem dazu führen, dass Prozesse neu überdacht werden, beispielsweise im Hinblick auf Fast-Close-Aktivitäten oder Solvency-II-Prozesse. Diskutiert wird auch der Einfluss auf Prozesse für aktuarielle, Rechnungswesen- und Feeder-Systeme oder die Anpassung der Vergütungsmodelle im gleichen Zuge, wie sich die Umsatzgenerierung ändert. IFRS 17 ist also keine punktuelle Veränderung, sondern betrifft das gesamte Unternehmen.

Der prinzipienbasierte Ansatz bringt zwar große Flexibilität mit sich, erfordert aber gleichermaßen intensive Analysen. Versicherer sind gut beraten, sich gleich zu Beginn Gedanken über die Auslegung dieser Prinzipien zu machen und herauszufinden, welche für sie speziell am besten funktionieren.

Fragen über Fragen

IFRS 17So wichtig der neue Standard ist: Versicherer haben selbstverständlich noch andere Themen auf der Agenda. Der Umgang mit Stakeholdern ist für alle Branchen entscheidend, und nicht zuletzt für den Versicherungssektor; Volatilität ist ebenfalls ein wichtiges Thema. Diese zu reduzieren und Stabilität zu schaffen, ist eine Grundvoraussetzung für die vorausschauende Planung und effektive Steuerung von Risiken. Davon ausgehend lässt sich eine Financial-Impact-Analyse erstellen, die einzelne Marktparameter und wahrscheinliche Veränderungen im Umfeld berücksichtigt. Heißt: Man kann die Zukunft zwar nicht vorhersehen, aber man muss es versuchen.

Versicherer müssen zudem weitere aktuelle gesetzliche und regulatorische Vorgaben meistern, was die Komplexität noch einmal erhöht: IFRS 17 kommt schließlich zusätzlich zu Solvency II und regionalen GAAP-Richtlinien. Diese Anforderungen lassen sich nicht unbedingt reibungslos miteinander vereinbaren. Versicherer sind daher gefordert, selbst herauszufinden, wie Prozesse und Daten am effektivsten in ihrem speziellen Fall genutzt werden können. Wie sie ihre Datensammlung vereinfachen oder Prozesse anpassen, um den Aufwand und Druck möglichst gering zu halten. Neue Performance-Indikatoren werden benötigt, um künftige Umsätze einschätzen zu können, und ein vorwärts gerichtetes Denken ist notwendig, um sicherzustellen, dass die Versicherungsunternehmen auch genau die für sie relevanten Informationen erheben.

IFRS 17 ist eine große Herausforderung und Versicherer können es sich nicht leisten, den Kopf in den Sand zu stecken. Entschlossenes Handeln ist gefragt – und zwar besser früher als später!

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Erfahren Sie mehr zum Thema in Teil 2 und Teil 3.

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About Author

Thorsten Hein

Principal Product Marketing Manager

Thorsten Hein is a Principal Product Marketing Manager in the Risk Research and Quantitative Solutions Division at SAS Institute. He specialises in global risk management operations insights in both banking and insurance, focusing on risk and finance integration, IFRS, Solvency regulations and regulatory reporting. He helps risk management stakeholders to go beyond pure regulatory compliance and drive value-based management to maximise business performance, using his wide experience to deliver both business relevance and technical coherence.

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