Ein Balanceakt: Verbrauchsvorhersagen für Konsumgüter, Regelenergie und Fans der Eintracht

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Donnerstagabend, Frankfurt a. M.: Nach der Arbeit noch zum Supermarkt, um mich für das anstehende Europapokalspiel der Frankfurter Eintracht auszurüsten. Schnell an den Chips vorbei, ich sammele Nachos mit Salsa und Käsedip ein. Danach geht‘s ans Getränkeregal. Eine Flasche Cola und ein Sixpack Bier landen im Einkaufswagen. Um die Ecke die Eistheke: Ben & Jerrys Peanutbuttercup Eiskrem. Gefühlte 4.000 Kalorien auf 40 gr. Eis. Check!

Jetzt nur noch schnell meine Lieblingspizza. Beim Blick auf das Pizzaangebot stockt mir der Atem. Über dem Schild „Heute im Angebot!“ der Cheese Peperoni prangert: AUSVERKAUFT! Die Verkäuferin weiß auch nur, dass die nächste Lieferung erst Samstag zu erwarten ist.

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Zuhause angekommen bunkere ich meine Einkäufe zunächst im Kühlschrank. Bis zum Anstoß dauert es nicht mehr lange. Wenn die Eintracht heute gewinnt, sind wir in der Gruppenphase und ich freute mich auf ein kaltes Bier und Nachos. Noch zehn Minuten bis zum Anstoß. Die Spannung steigt. Wie schön kann ein Donnerstagabend vor dem Fernseher sein – auch ohne Pizza.

KLONG!

Schlagartig wird es dunkel im Wohnzimmer. Erst denke ich noch, die Sicherung ist raus, aber dann wird schnell klar: Stromausfall. Spitze. Keine Pizza, kein Fußball, dafür warmes Bier mit flüssigem Eis.

Leider leider ist diese Geschichte wahr.

 Warum ich Ihnen diese Geschichte erzähle?

Weil beide Teile der Geschichte etwas gemeinsam haben: Die Balance war nicht vorhanden. Das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage fehlte sowohl bei der Pizza im Supermarkt als auch beim Stromausfall.

Für Konsumgüterhersteller stellt das Thema Verbrauchsvorhersage eine der größten Herausforderungen dar. Es reicht heute nicht mehr, sich Vorjahreszahlen von verkauften Produkten über eine Zeitreihe anzusehen und diese zur Prognose der Zukunft zu nutzen. Stattdessen versuchen „best in class“ Unternehmen kausale Faktoren in den Forecast einzubeziehen, um den bestmöglichen Forecast zu prognostizieren. In meinem Fall hätte der Hersteller durch Einbeziehung der Faktoren „Fußballspiel einer Frankfurter Mannschaft“, „kühles Wetter“ und „Preispromotion“ mit Sicherheit besser vorhersagen und ausreichend Ware im Kühlregal zur Verfügung stellen können – einfach indem er diese Faktoren in seine Prognosemodelle integriert hätte. Die Nutzung solcher kausaler Faktoren wird von einigen großen Konsumgüterunternehmen wie Nestlé bereits genutzt.

Der Lieferant meiner Pizza sollte sich hier ein Beispiel nehmen!!!

Was hat warmes Bier mit fehlender Balance zu tun?

Vorausgestellt sei einfach einmal die Info, dass dieser Donnerstag wirklich ein Unglückstag war. Denn im Durchschnitt fallen pro Haushalt in Deutschland jährlich nur 17 min die Stromleitungen aus [2008], bei einer Gesamtnetzstabilität von 99,9%. Erklären lässt sich diese Stabilität vielleicht mit einem Vergleich: Die deutsche Gesamtregelleistung beträgt 6800 MW – der Hoover Dam am Colorado River nahe Las Vegas produziert 2080 MW, wenn alle 17 Turbinen laufen.

Es gibt allerdings eine andere Analogie zu Konsumgüterherstellern: Energieanbieter müssen eine Balance zwischen Einspeisung und Entnahme im Stromnetz sicherstellen. Sonst drohen Netzausfall und Blackouts durch Prognosefehler oder Fahrplannachlässigkeiten in Strombilanzkreisen. Ob mein Stromausfall nun durch einen Prognosefehler der anstehenden Lasten entstanden sind, vermag ich nicht zu sagen. Wichtiger ist für mich jedoch der Gedanke wie Energieanbieter solchen Differenzen zwischen Energieangebot und Angebotsnachfrage vorbeugen.

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In den meisten Fällen werden Reserveleistungen produziert, um in Echtzeit Abweichungen vom Fahrplan der prognostizierten Tageslast auszugleichen. Diese werden im Rahmen von Regelenergieauktionen angeboten. Aber wie kann ein Netzbetreiber den Netzzustand stabil halten? Nun, indem er Kraftwerke, die im nicht ihm gehören, per Fernbedienung hinzuschalten und drosseln kann. Das Recht fremde Anlagen zu aktivieren, erkauft er sich in täglichen Auktionen für Kraftwerksleistungen. Da es sich im Energiegeschäft, um ein nahezu Echtzeitgeschäft handelt, ist es für den „Vermieter“ der Energie extrem wichtig optimale d.h. profitable und wettbewerbsfähige Angebotspreise am Markt zu erzielen. Diese Regelenergieauktionen sind ein sich täglich wiederholendes Spiel mit Stromerzeugern, Stadtwerken, Industrieunternehmen und unabhängigen Anbietern als Teilnehmern. Im Rahmen dieser täglichen „Gamblings“ ist es extrem wichtig, Nachfrage erstens zu prognostizieren und zweitens darauf basierende Preisstrategien am Markt zu optimieren. Durch einen täglichen Zugriff auf alle Daten von regelleistung.net, Wetter.com, und anderen Datenquellen werden Massen an statistischen Kennzahlen aus Arbeits- und Leistungspreisen mit Prognosen für deutschlandweite Windprognosen verknüpft. Hochperformante Data Mining Prognosen können so eine Nachfrage prognostizieren und im Anschluss die optimale Preisstrategie ermitteln, um den Gewinn am Markt zu maximieren. So kann Data Mining in Kombination mit prediktiven Kausalmodellen einen Beitrag für einen ausgewogenen Energiemarkt bilden und dafür sorgen, dass die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Stromausfall bei abendlichen Fußballspielen noch weiter reduziert wird.

Ich für meinen Teil habe den prozentualen Anteil an potentiellen Stromausfällen für die nächsten fünf Jahre ausgeschöpft! Wohlgemerkt zum schlechtesten Zeitpunkt aus Sicht eines Eintracht Frankfurt Fans.

 

 

 

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Chris Hartmann

Business Expert Manufacturing

Chris Hartmann, a business advisor at SAS, holds an advanced degree in Logistics Engineering. He writes about Business Analytics in manufacturing, life sciences, energy, automotive, steel and fast moving consumer goods. Chris Hartmann, Dipl.-Ing. Technische Logistik, schreibt über Business Analytics in der fertigenden Industrie und den Branchen Life Science, Energie, Automotive, Stahl und FMCG. Mehr über unser Lösungsportfolio in diesem Bereich: www.sas.de/ba

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