VW - KI und Ethik eine Frage der Hardware AI#37

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Wir sind es gewohnt, den Zusammenhang zwischen Künstlicher Intelligenz und Ethik in den Algorithmen zu suchen, was durchaus Sinn macht. Wie ein pawlowscher Hund sind wir darauf konditioniert. Aber ist das ausreichend? Erst durch die schnelle Hardware und die zunehmende Verfügbarkeit von Daten sind wir überhaupt in die Anwendung von KI-Methoden gekommen, und sind so natürlich zwangsläufig in die ethische Diskussion gerutscht um Szenarien, die davor nur theoretisch möglich waren. Wie der Astrophysiker, dem nur die theoretische Physik bleibt, um Konstellationen zu beweisen.

Prof. Dr. Patrick van der Smagt, Director des Machine Learning Labs, VW
Prof. Dr. Patrick van der Smagt, Director des Machine Learning Research Labs, VW

Hier, auf dem Terrain der Künstlichen Intelligenz, haben wir seit Beginn der 2000er Jahre die Weltraumkapsel bekommen in Form von Hardwaremöglichkeiten, die dem Astrophysiker noch fehlt, um sich vor Ort ein Bild von schwarzen Löchern zu machen. So mag den Laien dramatisch und neu erscheinen, was der KI-Experte seit fast 30 Jahren theoretisch bereits mit KI-Methoden tun kann. Auch Patrick van der Smagt, Director des Machine Learning Research Labs des Volkswagen Konzerns, sieht wie alle seiner Zunft im Vergleich zu den Neunzigern keinen nennenswerten Unterschied zu den theoretischen Möglichkeiten. „Wir verfügen jetzt über performante Hardware, die den Algorithmen überhaupt erst ein Leben erlaubt und somit auch die ethischen Fragen auf die Agenda der Anwender setzt. Ohne solche Hardware wachsen die Algorithmen nicht über spielerische Anwendungen hinaus.“

Die Praxis zeigt, dass die Ethik anfängt, wenn sich Softwaremöglichkeiten in Hardware ausdrücken. Beispiele aus dem Machine Learning Lab von Volkswagen sind selbstlernende Drohnen, Navigation anhand von Kameradaten, aber auch neuronale Netze, die eine Life-Drum-Jam-Session spielen. Ein weites Forschungsfeld, das der Volkswagen Konzern mit einem internen interdisziplinären KI-Ethikrat begleitet. „Das Zusammenbringen verschiedener Disziplinen und ihrer jeweiligen Perspektiven auf KI ist sehr wichtig“, sagt van der Smagt.

Formel E: VW und Audi forschen zusammen

Und wie kombiniert VW denn gerade Hardware mit Software, sprich, woran forscht der Konzern gerade in seinem Machine Learning Research Lab? „Ein klassisches Machine Learning-Thema ist zum Beispiel die Modellierung von Batterieverhalten“, so van der Smagt. Ziel dabei sei es den Alterungsprozess von Batterien besser verstehen und vorhersagen zu können. Die Prozesse seien sehr komplex, weil die Informationen nur aus Daten kommen. „Unsere Methoden können solche Prozesse aus Daten modellieren und vorhersagen.“

Eine anderes Forschungsthema ist die Vorhersage von Fahrerverhalten. Dazu haben sich die Experten der Labs mit den Kollegen von Audi zusammengetan. Im Zentrum stand die Frage, wie ein Formel-E-Fahrer beschleunigen und bremsen muss, damit die Batterie am Ende noch über ausreichend Restkapazität verfügt. Die Batterie bestimme quasi die Fahrt. Die gesammelten Erkenntnisse seien auch auf klassische Straßenfahrten übertragbar.

Aber auch die Navigation in unbekannten Umgebungen ist ein Forschungsgebiet bei Volkswagen. „Fahrzeuge beobachten über ihre Kamerasensoren kontinuierlich ihre Umgebung. Nicht immer liegt ihnen jedoch die dazugehörige Karte vor“, erklärt van der Smagt.“ Volkswagen habe Methoden entwickelt, um aus Kamerabildern eine Umgebungskarte zu erstellen. Anwendbar sei der Algorithmus etwa in Parkhäusern bei der Parkplatzsuche.

Bloße Willensbekundungen reichen nicht

Doch, kann man solche Algorithmen überhaupt nach ethischen Prinzipien entwickeln? „Ja, das ist durchaus möglich. Bloße Willensbekundungen reichen dafür aber nicht. Deshalb haben wir die Initiative etami entwickelt, die besonderen Fokus auf vertrauensvolle KI legt. Ziel ist es nachhaltigen Nutzen für die Gesellschaft aus KI zu ziehen.“

Ethik und KI ist für ihn eine Frage des Wissens: „Wir müssen dahin kommen, dass die Vereinbarkeit von KI und Ethik belegbar wird.“ Volkswagen hat mit anderen Vertretern aus Industrie und Forschung zu diesem Zweck etami (ethical and trustworthy artificial and machine intelligence) initiiert. Mit dabei sind Unternehmen wie Siemens, ABB oder die Deutschen Bahn. „Wir wollen eine Vorreiterrolle einnehmen und Vorbild beim nachhaltigen Umgang mit KI sein.“

Ist da Ethik-Überwachung erforderlich? „Überwachung würde ich es nicht nennen, aber es ist wichtig bei der Datenverwendung und ihrer Rückschlüsse bewusst und nachvollziehbar zu bleiben. Man muss die Technologie dahinter genau verstehen, um abschätzen zu können, welche Absicht hinter einer Entscheidung gestanden hat. Das ist der Dreh-und Angelpunkt.“

Aber nicht alle hegen die besten Absichten, Herr van der Smagt. „Aus meiner Sicht braucht es ein Regelwerk mit selbstverpflichtender Überprüfung.“ Und deshalb engagiert sich Professor van der Smagt auch gemeinsam mit der Industrie, um die Ethik und die KI-basierten Anwendung miteinander abzugleichen.

Das Spiel von Hardware und Software in dessen Mitte die KI leben kann, ist unendlich vielfältig und divers. Je besser die Hardware wird, umso besser werden auch die KI-Anwendung. Noch (und so wird es auch die nächsten Dekaden bleiben), sind die Schreckensszenarien abschätzbar. Biotechnologie mag durchaus schon bedrohlichere Szenarien in die Anwendung gebracht haben als KI-Methoden.

Patrick van der Smagt promovierte an der Universität Amsterdam über neuronale Netze in der Robotik. Er ist Direktor des Machine Learning Research Labs des Volkswagen Konzerns, das sich auf probabilistische neuronale Netze, Zeitreihenmodellierung und optimale Regelung fokussiert. Zu seinen Auszeichnungen gehören der Erwin-Schrödinger-Preis der Helmholtz-Gemeinschaft 2013, den King-Sun-Fu-Gedächtnispreis 2014, den Harvard Medical School/MGH Martin Research Prize 2013.

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Andrea Deinert

Journalist // Blogger for AI and Data Science // Data Science Community Liaison // Academic Liaison || Portraits opinion leaders from politics, society and research to reveal the meaning of AI and ethics for future society.

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