Spenden zur Weihnachtszeit: Altruismus, "Conscience Laundering" oder sozialer Druck?

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Autor: Dr. Michael Jungbluth, Project Manager und Analytics Experte bei SAS Deutschland

Weihnachtszeit ist für viele auch Spendenzeit.

Das ist auch gut so! Damit von Spenden möglichst viel bei Bedürftigen ankommt, machen sich Spendenorganisationen intensiv Gedanken über Anreizstrukturen. Sie übersetzen diese dann möglichst kosteneffizient in konkrete Spendenansprachen. Aber wie geht das am besten?

Herz

In der kürzlich erschienen Fortsetzung der erfolgreichen „Freakonomics“-Buchreihe des bekannten Ökonomie-Professors Steven D. Levitt und des Wirtschaftsjournalisten Stephen J. Dubner wird dieses Thema aufgegriffen: Schon der Buchtitel „Think like a Freak“ lässt vermuten, dass sich die beiden Herren der Frage „Warum spenden Individuen?” eher unorthodox nähern.

Gestartet wird daher auch mit einem Zitat von Peter Buffet, Sohn des Investors und Großspenders Warren Buffet. Peter bezeichnet Spenden als „Conscience Laundering“. Seine zugrunde liegende These lautet: Es geht Individuen eher darum, sich selbst besser zu fühlen, als tatsächlich eine Ursache des Problems bekämpfen zu wollen. Sollte man sich als Spendenorganisation diese Motivation zunutze machen? Natürlich!

Sollte eine auf diese Motivation zugeschnittene Spendenaufforderung undifferenziert an alle potentiellen Spendenwilligen gehen? Nein, natürlich nicht! Viele Spender würden sich gerne in Ihrem sozialen Umfeld als tatsächlich altruistisch profilieren, auch wenn „Conscience Laundering“ die eigentliche Motivation zur Spende darstellt. Und welchen Effekt hat eine Ansprache, die offen legt, dass man eigentlich nur einmal spenden will und dann nie wieder von der Spendenorganisation hören möchte?

Einen unerwartet großen.

Unterschiedliche Spendenmotivationen erfordern ein optimiertes Setzen unterschiedlicher Anreizstrukturen

Aber zunächst noch einmal zurück zu "Think like a Freak". Dubner und Levitt unterscheiden drei grundlegend verschiedene Spendenmotivationen:

  • Spenderinnen und Spender sind tatsächlich altruistisch und verspüren einen eigenen Nutzen, anderen zu helfen.
  • Der Spendenvorgang führt dazu, dass sich Spenderinnen und Spender selbst besser fühlen. Dieses Phänomen wird auch als „Warm-Glow Altruism“ oder reißerisch nach Peter B. eben „Conscience Laundering“ bezeichnet.
  • Eine direkte (bzw. öffentliche) Konfrontation mit einer Spendenaufforderung erhöht den Druck auf Spenderin und Spender, so dass – eigentlich entgegen deren Willen – doch gespendet wird.

Der dritte Punkt ist nicht von der Hand zu weisen und es liegt nicht fern zu behaupten, dass grafische Elemente wie z.B. „hungernde Kinder“ oder „Kriegs-/Katastrophenschauplätze“ in den Spendenaufforderungen teils einen hohen sozialen Druck aufbauen, um diesen Aspekt für sich zu nutzen.

Ein interessanter Optimierungsansatz – „Once-and-Done“

Dubner und Levitt berichten von einer Organisation, welche die zu letzt genannte Spendenmotivation aktiv in ihren Kampagnen genutzt hat. In der Spendenansprache wurde explizit Spenderinnen und Spendern die Selbstselektionsmöglichkeit gegeben: „Spendet einmalig und wir werden Dich nie wieder um eine Spende bitten“. Damit liegt man eigentlich überhaupt nicht im Zeitgeist: Die CRM-Literatur hat schon lange den Wandel von der Transaktionsorientierung hin zur Beziehungsorientierung herbeibeschworen. Das gilt insbesondere für „beziehungsintensive“ Geschäftsmodelle, wie sie der Spendenkontext bietet. Grundsätzlich sollte man dabei bedenken, dass eine „Once-and-Done“-Strategie isoliert bewertet bei Spendenorganisationen nicht sonderlich vielversprechend ist. Denn typischerweise werden die Kosten einer Spenden-Akquisition mit einer einzigen Transaktion (= Spende) nicht gedeckt. Erst über den Verlauf der Geschäftsbeziehung zwischen Spendenorganisation und Spenderin/Spender wird ein nachhaltiger Deckungsbeitrag erzielt. D.h. wiederholte Spendenvorgänge sind essentiell. Die „Once-and-Done“-Strategie ist also vielleicht "ehrlich", aber könnte das Spendenaufkommen drastisch verringern. Nur wenn die Steigerung der Akquisitionsrate der Neuspender - in Kombination mit einer Erhöhung der ersten (und einvernehmlich letzten) Spendensumme - die negativen Aspekte überkompensiert, geht die Rechnung auf.

Letztlich hatte die Organisation ein Optimierungskalkül in Ihrer Kundenansprache zu lösen. Auslöser war die unorthodoxe Hypothese zu positiven Responseeffekten einer „Once-and-Done“-Strategie. Der Inhaber dieser Organisation ist sehr vermögend, weshalb er sich diesem Optimierungskalkül experimentell und per „Trial-and-Error“ näherte. Und die Ergebnisse waren dann doch überraschend: Haushalte, welche die „Once-and-Done“-Ansprache erhalten haben, hatten eine doppelt so hohe Spendewahrscheinlichkeit im Vergleich zur Kontrollgruppe mit konventioneller Ansprache. Außerdem stieg die erwartet Spende von $50 auf $56 für „Once-and-Done“-Haushalte. Schlussendlich nahmen nur 1/3 der „Once-and-Done“-Zielgruppe von Ihrem Recht Gebrauch, nie wieder angesprochen zu werden, was die erwarteten negativen Effekte der mangelnden Beziehungsorientierung zudem abmilderte.

Mehr Effizienz durch gesamthafte Kampagnenoptimierung

Der Gesamteffekt dieses Strategiewechsels in der Spendenansprache ließ sich auf einen Umsatz-Uplift in Höhe von 46% beziffern. Hinzu kamen die Kosteneffekte der eingesparten Werbemittel für die 1/3 „Once-and-Done“-Haushalte. Strategien, die isoliert betrachtet kontrovers diskutiert werden können, müssen gesamthaft oft in einem komplett anderen Wirkungszusammenhang bewertet werden. Daher macht eine Kampagnenoptimierung grundsätzlich Sinn.

Die SAS Customer Intelligence Suite ermöglicht mit dem Modul SAS Marketing Optimization scorebasierte Kampagnenoptimierungen und die Etablierung einer Return on Marketing Perspektive auf die operative Kampagnenadministration. Mit Hilfe solcher analytischen Tools zur Entscheidungsunterstützung können Maßnahmen, wie von Dubner und Levitt beispielhaft aufgezeigt, simuliert und optimal umgesetzt werden. Oft steht immer noch die Werbewirkung der einzelnen Kampagne im Fokus der Anwender. Eine optimierte Langfristbetrachtung, die durchaus auch mal gängige Meinungen und Vorgehensweisen infrage stellen kann, macht oft deutlich mehr Sinn.

Frohe Weihnachten wünsche ich dann an dieser Stelle schon einmal!

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About Author

Dr. Michael Jungbluth

Program Manager CI Analytics Lead

Dr. Michael Jungbluth ist als Program Manager CI Analytics Lead verantwortlich für analytische Fragestellungen rund um das Thema Customer Intelligence Delivery im Bereich Professional Services DACH des SAS Institutes. Er ist Spezialist für analytisches CRM mit Branchenfokus Handel und Dienstleistungen. Im Nachgang zu diversen Marktforschungs- und Beratungsprojekten im Bereich CRM war Michael Jungbluth zweieinhalb Jahre als Assistent der Geschäftsführung und Senior Consultant Consumer Insights bei der Bertelsmann AG tätig, bevor er 2012 zu SAS kam. Im Anschluss zeigte sich Michael Jungbluth bis 2015 als SAS Projektmanager und Analytics Experte für die operative Umsetzung von Customer Intelligence- und Text Mining Projekten verantwortlich.

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